2. Kapitel, Vers 11

Deutsche Übersetzung:

Morgends, Mittags, Abends und zur Mitternacht, soll der Yogi diese Atemübung (Kumbhaka) praktizieren, vier mal langsam steigernd bis zu 80 runden.

Sanskrit Text:

  • prātar madhyan-dine sāyam ardha-rātre ca kumbhakān |
    śanair aśīti-paryantaṁ caturvāraṁ samabhyaset ||11||
  • प्रातर् मध्यन्दिने सायम् अर्धरात्रे च कुम्भकान् ।
    शनैर् अशीतिपर्यन्तं चतुर् वारं समभ्यसेत् ॥११॥
  • pratar madhyan dine sayam ardha ratre cha kumbhakan |
    shanair ashiti paryantam chatur varam samabhyaset ||11||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • prātar* : morgens (Pratar)
  • madhyan-dine : am Mittag (Madhyandina)
  • sāyam* : abends (Sayam)
  • ardha-rātre : zur Mitternacht (Ardharatra)
  • ca : und (Cha)
  • kumbhakān : Atemverhaltungen (Kumbhaka)
  • śanais : langsam, allmählich (steigernd, Shanais)
  • aśīti : 80 (Kumbhakas pro Sitzung, Ashiti)
  • paryantaṁ : bis auf (Paryanta)
  • catur : vier (Chatur)
  • vāraṁ : mal (Vara)
  • samabhyaset : man soll üben, praktizieren (sam + abhi + as)        ||11||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass es sich jeweils um die Morgen- bzw. Abenddämmerung (Sandhya) handelt, also die Zeit vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang.

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Brahmananda

Das ergibt 320 Kumbhakas täglich. Aber weil es ungelegen sein mag, um Mitternacht zu praktizieren, mag es nur zu 240 Kumbhakas kommen.

Vishnu-devananda

Er soll Kumbhakas (Atem-Anhalten) viermal täglich ausführen; am frühen Morgen, mittags, abends und zu Mitternacht …

Das bedeutet, dass man zu diesen vier Zeiten während eines Tages diese Einatmung, Anhaltung, Ausatmung praktizieren sollte, bis der Schweiß ausbricht. Wenn das Verhältnis vergrößert wird, werdet ihr den Schweißausbruch kommen fühlen.

(fortgesetzt) …bis er die Anzahl auf achtzig steigert.

Das sind vierzig Runden, wobei eine Runde zwei Anhaltungen beinhaltet. Vierzig Runden ergeben achtzig Anhaltungen. Einatmen, Anhalten, Ausatmen macht die Runde voll. Vierzig Runden am Morgen, vierzig mittags, vierzig abends und vierzig zu Mitternacht. Ein Anfänger wird mit zehn bis fünfzehn Runden beginnen und dann weitermachen, bis er vierzig Runden erreicht.

Während dieses Zeitraumes solltet ihr salzige Dinge sowie jene mit stechendem Geschmack vermeiden und hauptsächlich sattvige Speisen zu euch nehmen wie Milch, Milchreis, Ghee etc. Diese sattvige Nahrung, die Praxis von Yama und Niyama, zusammen mit der rechten Einstellung, wird euch die Reinigung der Nadis innerhalb weniger Monate bringen. Dann werdet ihr leuchten wie ein strahlender Lotus.

Zusätzlich zum Pranayama müsst ihr auch den Morgen Asanas, Abend-Asanas, der Morgen- und Abend-Meditation Zeit widmen. Dann müsst ihr Zeit haben für Bandhas und Mudras, Studium der Schriften und für das Kirtan Singen. Weil ihr auch Zeit für eure natürlichen Angelegenheiten erübrigen müsst, werdet ihr euch fragen, wo die Zeit fürs Schlafen bleibt? Wenn ihr dieser Praktik folgt, wird euer Schlaf automatisch kommen und ihr werdet nicht viel Schlaf brauchen, weil euch nur ein oder zwei Stunden Schlaf vollkommene Rast geben werden. Der Schlaf wird dann sehr tief und ungestört sein.

Doch ich empfehle nicht, dass ihr so schnell vorgeht. Wenn ihr das jetzt, in eurer gegenwärtigen Verfassung macht, wird der Rückschlag gewaltig sein. Ihr werdet verärgert sein: „Ach, ich habe nichts von dem bekommen, was dieser Swami da erzählt hat.“ Beginnt langsam und baut auf.

Ich empfehle, dass ihr nur dreimal täglich praktiziert und das Mitternachts-Praktizieren weglasst. Ihr werdet fast denselben Nutzen daraus ziehen, ohne in dieses Extrem zu gehen. Wirklich, das ist der maßgebende Yogaweg. Wenn wir in Klausur gehen, ist das die Weise, in der wir praktizieren.

Wenn ihr in einem heißen Klima wie Israel lebt, sollt ihr mittags das Praktizieren weglassen. Zu viel Schweißaustreiben. Ich lege euch nahe, dass ihr extrem kalte Klimazonen meidet. Einige Extremisten haben sogar im Schnee sitzend praktiziert, doch übt diese Art von Pranayama nicht aus, sonst werdet ihr einen vollständigen Zusammenbruch eures Nervensystems haben. Alles sollte maßvoll sein: nicht zu kalt und nicht zu heiß. Mäßigung ist sehr wichtig.

Sukadev

11. Er soll Kumbhakas (Atemanhalten) viermal täglich ausführen, am frühen Morgen, mittags, abends und zu Mitternacht, bis er die Anzahl auf 80 steigert.

Also vierzig Runden pro Sitzung. Bei vierzig Runden, da geht’s auf drei Minuten pro Runde, dann ist man also zwei Stunden pro Sitzung mit der Wechselatmung beschäftigt.

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2. Kapitel, Vers 12

Deutsche Übersetzung:

Im Anfangsstadium schwitzt der Yogi. Im Mittelstadium tritt Zittern auf. | Im höchsten Stadium erreicht man den (höchsten) Ort. Daher soll der Yogi den Atem anhalten.

Sanskrit Text:

  • kanīyasi bhavet svedaḥ kampo bhavati madhyame |
    uttame sthānam āpnoti tato vāyuṁ nibandhayet ||12||
  • कनीयसि भवेत्स्वेदः कम्पो भवति मध्यमे ।
    उत्तमे स्थानमाप्नोति ततो वायुं निबन्धयेत् ॥१२॥
  • kaniyasi bhavet svedah kampo bhavati madhyame |
    uttame sthanam apnoti tato vayum nibandhayet ||12||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • kanīyasi : im niedrigsten („geringsten“ Stadium, Kaniyas)
  • bhavet : es gibt (bhū)
  • svedaḥ : Schweiß (Sveda)
  • kampaḥ : Zittern (Kampa)
  • bhavati : es gibt (bhū)
  • madhyame : im mittleren (Stadium, Madhyama)
  • uttame : im höchsten (Stadium, Uttama)
  • sthānam* : (den höchsten) Ort (Sthana, das Brahmarandhra)
  • āpnoti : man erreicht (āp)
  • tataḥ : daher, deshalb (Tatas)
  • vāyuṁ : (den) Atem, Prana („Wind“, Vayu)
  • nibandhayet : man soll anhalten (ni + bandh)      ||12||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass man im höchsten (Uttama) Stadium der in den Strophen 7 bis 10 beschriebenen Form des Pranayama das Brahmarandhra, den „Öffnung Brahmas“ genannten Ort (Sthana), erreicht (āpnoti): uttame prāṇāyāme sthānam brahma-randhram āpnoti. Eine weitere Bedeutng von sthānam ist „vollkommene Ruhe“, der „Stillstand“ des Geistes.

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Brahmananda

Auf der ersten Stufe wird Prana für zwölf Matras angehalten.

Auf der zweiten (Stufe) vierundzwanzig Matras und auf der dritten sechsunddreißig Matras. Ein Matra wird als die Zeit definiert, die man braucht, um ein Mal mit der Hand um das Knie zu kreisen oder drei Mal mit den Fingern zu schnippen.

Andere sagen, ein Matra ist die Zeit, die man braucht, drei Mal in die Hände zu klatschen. Eine dritte Bedeutung ist: die Zeit, die der Atem bei einem Menschen in gesundem Schlaf braucht, um reinzugehen und rauszukommen. Sie gebrauchen verschiedene Definitionen.

Die erste Stufe des Pranayama hat eine Zeitspanne von zwölfeinhalb Atemzügen. Atemzüge werden „Pala“ genannt. Die anderen Stufen von Yoga: Pratyahara, Dharana, Dhyana und Samadhi, sind nur Fortschritte im Pranayama.

Vishnu-devananda

Auf der ersten Stufe gerät der Körper in Schweiß.

Es gibt drei Stufen der Reinigung. Die erste Stufe ist intensiver Schweißausbruch. Wenn der Schweiß ausbricht, dann wischt ihn nicht mit eurer Kleidung ab. Stattdessen verreibt den Schweiß mit eurer Hand auf dem Körper. Dieser Schweiß ist magnetisch geladen wegen des Pranas.

(fortgesetzt) Auf der zweiten (Stufe) ist ein Zittern durch den Körper hindurch zu fühlen.

Die Reinigung geht weiter, und nach drei oder vier Monaten Wechselatmung, Ujjayi etc. beginnt ihr mit Bhastrika. Dann wird der Körper mit verschiedenen Zeichen zeigen, dass die zweite Stufe der Reinwerdung erreicht worden ist. Die Zeichen werden von Person zu Person verschieden sein. Der Körper mag sich so heftig auf und ab bewegen, dass ihr unfähig seid, es zu kontrollieren, was zeigt, dass Prana sich bewegt. Manche Leute mögen ein gewaltiges Beben der Gefühle erfahren, andere werden mehr in einem stillen Zustand sein, einige mögen in eine Art Ohnmacht fallen, einen halbbewussten oder sogar einen bewusstlosen Zustand. Jeder von diesen zeigt an, dass die zweite Stufe des Pranayama von dem Yogi erreicht worden ist, der Yama, Niyama und die rechte Ernährung praktiziert.

Nur dann, wenn ihr auf diese Stufe gelangt, ist das gut. Aber wenn ihr soweit kommen wollt ohne Yama, Niyama, rechte Ernährung etc., könnt ihr versichert sein, dass viele Reaktionen kommen werden, die ihr nicht kontrollieren könnt und niemand wird imstande sein, euch zu helfen… Ärzte werden es nicht verstehen. Vom falschen Praktizieren könnt ihr manchmal gewaltige Hitze über dem ganzen Körper spüren, die ein Thermometer nicht registrieren wird. Dennoch fühlt ihr euch, als ob ihr in Flammen wärt. Einmal kam in Indien ein Schüler zu mir und sagte: „Swamiji, hilf mir, der Körper ist in Flammen.“ Das war, weil er bestimmte Dinge nicht richtig durchführte, was diese unguten Reaktionen hervorgerufen hatte.

Doch wenn das Beben sich ausbreitet, und es ist die eigentliche Sache, dann fühlt ihr inneren Frieden und Kraft. Der Körper mag sich heftig bewegen, aber innerlich seid ihr voll Frieden. Die allgemeine Reaktion ist immer ein wonniglicher innerer Zustand. Ihr werdet euch an diesem inneren Zustand freuen wollen, in diesem Zustand bleiben wollen. Wenn ihr diese friedvolle Erfahrung macht, braucht ihr euch keine Sorgen mehr zu machen. Aber wenn das innere Gefühl schmerzhaft ist, oder wenn es ein unguter Zustand ist, dann ist etwas falsch. Das ist der sicherste Weg, um herauszufinden, ob ihr Fortschritte macht, oder ob ihr in die falsche Richtung geht.

(fortgesetzt) Im höchsten Zustand geht Prana zum Brahmarandhra. So sollte man Pranayama durchführen.

„Randhra“ bedeutet „Kanal“, daher ist Brahmarandhra „Brahmas Kanal“. Wo ist Brahmas Kanal? Die Sushumna. Mit dieser dritten und höchsten Stufe der Reinwerdung wird das Beben aufhören und der Schweiß nicht mehr austreten, obwohl eure Energie sehr hoch ist. Ihr fühlt nichts mehr außer der Stille des Geistes und jener inneren Freude und Glückseligkeit und Frieden.

Zusätzliche Erfahrungen werden von Person zu Person verschieden sein. Manche Leute mögen Lichter oder Farben sehen; manche mögen mehr Schwingungen im Rückenmark bekommen; andere mögen nirgends Schwingungen oder Licht fühlen. Wenn euch also das passiert, glaubt nicht, dass ihr keine Fortschritte macht. Das sind nur individuelle Reaktionen, die von Unterschieden der geistigen Zustände von Person zu Person abhängen. Wenn die Kundalini erweckt ist, werden sich die äußerlichen Erfahrungen unterscheiden. Diese Dinge sich nicht wichtig. Das Wichtige ist: Bist du friedvoll? Bist du mit deinem Leben zufrieden? Weißt du, dass du ein freier Mensch bist? Hast du die Freiheit zu tun, was du jetzt möchtest? Sind deine Sinne unter Kontrolle? Drängt dich dein Geist nicht länger in die Pizzeria zu gehen, um Glückseligkeit zu finden? Das sind die Fragen, die ihr stellen sollt. Es ist die innere Erfahrung, um die ihr euch kümmern sollt, nicht die äußerliche.

Gelegentlich treten Blockaden in den Nadis als Folge davon auf, dass man Drogen, Fleisch, Alkohol und so weiter zu sich nimmt, während man dieser Praktik folgt. Das Blockieren kann nicht nur in der Sushumna auftreten, sondern auch in Ida und Pingala (den normalen Kanälen), in jeder der vierzehn großen Nadis, oder auch in jeder der übrigen 72 000 Nadis. Während einer Blockade bewegt sich Prana wie ein Wilder, der in alle Winkel und Ecken fließt, in jede Richtung außer Kontrolle geratend. Zu dieser Zeit ist sehr schwierig solchen Leuten zu helfen. Sie folgen niemals Anweisungen und bestehen darauf, Bandhas, Mudras etc. ohne angemessene Vorbereitung zu praktizieren. Sie müssen zuerst wieder zum Normalzustand zurückkehren, indem sie ihre Ernährung und andere schlechte Praktiken ändern, und nur dann können sie neu mit einfachen Übungen wie tiefem Atmen beginnen. Sie sollten anfangs nicht Atemanhalten praktizieren. Danach langsam, langsam, wenn der Körper normal wird, reinigen sich die Kanäle, und dann vielleicht nach etlichen Monaten können sie Wechselatmung mit Atemanhalten wieder einführen. Aber es ist sehr schwierig, Leuten mit solchen Problemen zu helfen, außer sie kommen zu einem Lehrer, der mit diesen Dingen Erfahrungen hat und beim Anblick der Person sofort versteht und weiß, was zu tun ist.

Hier sprechen sie nicht über körperliches Atmen, sondern über das Prana, das in der Sushumna ist. Wenn Prana für eineinhalb Minuten in der Sushumna bleibt, wird das „eine Atmung“ oder „ein Pala“ genannt. Wenn Prana in der Sushumna mehr als zwölfeinhalb Atemzüge bleibt, so ist das nicht mehr länger Pranayama, sondern Pratyahara.

Es gibt drei Stufen in der Reinigung der Nadis. In der ersten tritt Schweiß aus. Zu dieser Zeit wird Prana für zwölf Matras (ungefähr 30 Sekunden) gehalten. Beachtet, dass Prana gehalten wird, nicht Atem. Ihr haltet Prana für dreißig Sekunden in der Sushumna. Prana wird nicht länger als eine gewisse Zeit bleiben, weil es dort einen gewaltigen Widerstand gibt. Es ist, als ob man die gleichen Pole von zwei Magneten zusammenbrächte: sie werden einander abstoßen. Ebenso kommen die positive Kraft der Sushumna und die nicht so gereinigte Energie von Ida und Pingala (Apana genannt) und drängen gegeneinander. Für eine sehr kurze Zeit gibt es eine Aufhebung. Das wird die erste Stufe genannt. Ihr erinnert euch bestimmt daran, dass „dreißig Sekunden“ nicht bedeuten, dass wir den körperlichen Atem anhalten. Das ist mit „den Atem in der Sushumna halten“ gemeint.

Die zweite Stufe wird für vierundzwanzig Matras gehalten. In der dritten Stufe bleibt Prana für sechsunddreißig Matras (um eineinhalb Minuten) in der Sushumna, aber das wahre innere Gefühl für diese Zeitspanne erscheint als eine Ewigkeit. Dann gibt es keine Zeit mehr; es ist euch nicht einmal mehr bewusst, dass die Welt irgendeine Bedeutung hat. Wenn ihr aus diesem Zustand herauskommt, dann wisst ihr, dass die Welt wie eine Fata Morgana ist. Glaubt nicht, dass diese Erfahrung nur in der Sushumna stattfindet. Tatsächlich fühlt ihr diese Strahlung durchwegs im ganzen Körper und nicht in einer speziellen Örtlichkeit. Die Örtlichkeit wird nur angegeben, damit euer Geist sich konzentrieren kann. Es ist dasselbe, wenn ihr euch auf die Chakras konzentriert, damit ihr mehr Konzentrationskraft bekommt. Das hilft der Energie in den richtigen Kanal zu fließen, was das wichtigste ist, um den Frieden zu bringen. Das ist es, was mit „Prana halten“ in den verschiedenen Stufen gemeint ist.

Ein Wort der Warnung: nehmt in Yoga niemals etwas wörtlich. Zum Beispiel ist das Symbol Shivas der tanzende Nataraja, Schöpfung und Zerstörung darstellend, der Tanz der Materie. Materie ändert sich alle Augenblicke: wenn ein Teilchen Materie stirbt, wird es neue Materie für etwas anderes. Das nennt man den „Tanz Shivas“. Die Blumenblätter auf den Chakras sind ebenso Symbole, auf Energie-Strahlungsmuster hinweisend. So etwas wird genommen, damit der Geist es sich bildlich vorstellen kann; es sind nur Hilfsmittel, um eure Konzentration auf einen Punkt zu sammeln. Bleibt also nicht stecken; verwendet die bildliche Vorstellung, um in die Wirklichkeit zu kommen. In Wirklichkeit seht ihr nie Blumenblätter in den Chakras. Was ihr seht, sind die Wechsel der Energiemuster, die Wechsel der Wellenlängen, denn auf diesen höheren Stufen des Praktizierens habt ihr eine andere Art der Wahrnehmung. Diese Symbole sind nur Hilfsmittel, um eure Konzentration auf einen Punkt zu sammeln. Viele Yogaschüler machen den Fehler, diese Symbole wörtlich zu nehmen, und wenn sie diese Erfahrungen nicht machen, glauben sie, dass die Lehren falsch sind. Aber das ist, weil sie nie an ihren Lehrer herangetreten sind, um ein entsprechendes Verständnis davon zu bekommen.

In der dritten Stufe, wenn bestimmte Energien beginnen, sich zu entwickeln, mögt ihr beginnen, Dichtung zu schreiben. Sowie sich die Chakren entwickeln, mögt ihr hellsichtig wahrnehmen oder verschiedene Kräfte entwickeln, oder ihr mögt nur den inneren Frieden haben, euch nicht bewegen wollen, euch von jedem abwenden. Die Reaktionen werden unterschiedlich sein, aber die innere Erfahrung bleibt immer dieselbe: alle werden die Erfahrung von Frieden und Freude haben.

Wenn Prana für eine Zeitspanne von 125 Palas angehalten wird, dann geht es in Brahmarandhra über. Wenn das Prana in Brahmarandhra für ungefähr fünfundzwanzig Palas bleibt, das ist Pratyahara. Wenn es dort für fünf Ghatikas (zwei Stunden) bleibt, ist es Dharana. Wenn es für sechzig Ghatikas (zweieinhalb Tage) bleibt, ist es Dhyana. Wenn es für zwölf Tage angehalten wird, ist es Samadhi.

Ich möchte noch einmal betonen, dass wir nicht über das körperliche Atmen sprechen, sondern darüber, wie lange Prana in der Sushumna bleibt. Mit zwölfeinhalb Palas bleibt Prana nur in den unteren Chakras, und dann, um zwanzig oder dreißig Palas, geht es zu den höheren Chakras. Mit ungefähr 120 Palas erreicht es die Krone. Das bedeutet, dass ein Fortschritt in der Zeit des Anhaltens das Prana dazu bringen wird, höher und höher zu gehen.

Erwartet nicht, dass dies in ein oder zwei Kursen oder einem Brieflehrgang geschieht, obwohl das tatsächlich euer natürlicher Zustand ist. Es mag heute geschehen, morgen, oder der Fortschritt mag steckenbleiben, wenn ihr sorglos seid. Im Augenblick kann Begeisterung da sein, aber in dem Moment, wo ihr diesen intensiven Lehrgang beendet, werdet ihr von Eiscreme, Pizza, Burschen und Mädchen, Tanz und Musik und sinnlichen Vergnügungen versucht werden. Dann ist es aus für euch – die Vairagya (Leidenschaftslosigkeit) wird weg sein. Die Dinge, die ihr von eurem Praktizieren lernt, steigern eure Schwingungsebene, bringen ein Feuer hervor. Aber dann ist es, wie wenn man ein Glas Wasser nimmt, es über das Feuer gießt und es auslöscht.

Ihr müsst wieder von vorne anfangen. Schubweise und halbherzig werdet ihr nicht sehr viel Fortschritte machen. Was ihr braucht, ist ununterbrochene Übung – nicht zu schnell, etwa drei Monate lang morgens, mittags, abends und zu Mitternacht, und dann für drei Jahre nichts. Wenn ihr einen so intensiven Zugang nehmt, wird es eine Reaktion geben. Das ist, wie wenn ein Mann zu viele Gewichte zu schnell hebt – nach fünf Minuten wird er aufhören müssen, wegen Muskelschmerzen, und die Schmerzen werden anhalten, sogar noch wenn er heimkommt, mit dem Ergebnis, dass er Gewichtheben aufgeben wird. Auch mit zu viel Pranayama wird es einen geistigen Rückschlag geben, der geistige Schmerz wird gewaltig sein. Viele Leute sind gezwungen, vom Praktizieren zu lassen, weil sie zu schnell weitergehen und der Schmerz für sie unerträglich wird.

Das ist vielen Schülern geschehen. Sie gehen zu schnell weiter und dann stoßen sie auf eine Straßensperre. Sie halten an und dann gehen sie in ihr altes Gleis zurück und bleiben stehen. Im nächsten Leben werden sie wieder ganz von vorne anfangen müssen, wobei sie wieder sehr schnelle in den Zustand kommen, wo sei abgesprungen sind. Aber wenn sie nicht Viveka und Vairagya entwickelt haben, werden sie noch einmal zurückrutschen. Also, wenn ihr nur zehn Pranayama am Tag durchführt, führt zehn Pranayama durch; wenn ihr für eine halbe Stunde täglich meditiert, macht das weiter. Zu guter Letzt wird es ein Erwachen geben. Wenn ihr folgendermaßen praktiziert: kleinweise jeden Tag, dann wird das zusammengehäufte Ergebnis viel besser sein als die schnelle Arbeit weniger Monate und danach überhaupt keine Arbeit mehr. Fortlaufendes Praktizieren ist am besten.

Sukadev

12. Auf der ersten Stufe gerät der Körper in Schweiß. Auf der zweiten Stufe ist ein Zittern durch den Körper hindurch zu fühlen. Im höchsten Zustand geht Prana zum Brahmarandhra.

Brahmarandhra ist ein anderer Name für Sahasrara-Chakra.

– So sollte man Pranayama durchführen.

Das hängt jetzt natürlich von dem eigenen geistigen Zustand ab. Eine gewisse emotionale Stabilität ist natürlich wichtig, wenn ihr intensives Pranayama machen wollt. Und wenn ihr diese emotionale Stabilität habt, ob jetzt der Körper ein bisschen zittert oder nicht, manche Menschen machen sich da Riesensorgen drum. Und gerade weil sie sich Sorgen machen ist es dann nicht so schön. Es gibt ja auch Bewusstseinsveränderungen usw., das geht ja auch alles mit. Das was er hier beschreibt, ist jetzt noch keine Kundalinierweckung, aber Pranaaktivierung. Aber wenn das so geschieht, braucht man sich keine Sorgen machen.

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2. Kapitel, Vers 13

Deutsche Übersetzung:

Der Yogi soll seinen Körper mit dem durch die Anstrengung (der Pranayamapraxis) entstandenen Schweiß einreiben. | Dadurch entsteht physische Kraft und zugleich Leichtigkeit des Körpers.

Sanskrit Text:

  • jalena śrama-jātena gātra-mardanam ācaret |
    dṛḍhatā laghutā caiva tena gātrasya jāyate ||13||
  • जलेन श्रमजातेन गात्रमर्दनम् आचरेत् ।
    दृढता लघुता चैव तेन गात्रस्य जायते ॥१३॥
  • jalena shrama jatena gatra mardanam acharet |
    dridhata laghuta chaiva tena gatrasya jayate ||13||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • jalena : mit dem Schweiß („Wasser“, Jala)
  • śrama : (durch die) Anstrengung (Shrama)
  • jātena : (der) entstanden ist (Jata)
  • gātra : (des) Körper(s, Gatra)
  • mardanam : (das) Einreiben (Mardana)
  • ācaret : man soll durchführen (Achara)
  • dṛḍhatā : Festigkeit, Kräftigkeit (Dridha)
  • laghutā : Leichtigkeit (Laghuta)
  • ca : und (Cha)
  • eva : gewiss (Eva)
  • tena : dadurch (Tad)
  • gātrasya : des Körpers (Gatra)
  • jāyate : entsteht (jan)       ||13||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Verreibt den ausgetretenen Schweiß gut auf dem Körper. Das macht die gesamte Verfassung stark und leicht.

Auf der ersten Stufe, wenn Schweiß austritt, sollt ihr ihn gut auf dem Körper verreiben – wischt ihn nicht weg. Es ist eine Prana-Massage, wenn ihr das macht.

Sukadev

13. Verreibt den ausgetretenen Schweiß gut auf dem Körper. Das macht die gesamte Verfassung gut und leicht.

Der Schweiß, der entsteht im Pranayama, schmeckt übrigens auch anders, als der Schweiß, der entsteht, wenn ihr Körperübungen macht. Er schmeckt eher süßlich, wenigstens aus meiner Erfahrung. Es heißt, dass dieser Schweiß gut ist für die Haut, das beste Schönheitsmittel, also einfach verreiben, nicht mit dem Handtuch abwischen.

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2. Kapitel, Vers 14

Deutsche Übersetzung:

Zu Beginn der Praxis wird Milch und Ghee als Nahrung empfohlen. | Später, wenn die Praxis gut fundiert ist, muss der Yogi sich nicht an diese Regeln (Niyama) halten.

Sanskrit Text:

  • abhyāsa-kāle prathame śastaṁ kṣīrājya-bhojanam |
    tato’bhyāse dṛḍhī-bhūte na tādṛṅ-niyama-grahaḥ ||14||
  • अभ्यासकाले प्रथमे शस्तं क्षीराज्यभोजनम् ।
    ततोऽभ्यासे दृढीभूते न तादृङ्नियमग्रहः ॥१४॥
  • abhyasa kale prathame shastam kshirajya bhojanam |
    tato’bhyase dridhi bhute na tadrin niyama grahah ||14||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • abhyāsa : (des) Praktizierens (Abhyasa)
  • kāle : Zeit (Kala)
  • prathame : in der ersten (Prathama)
  • śastaṁ : wird empfohlen (Shasta)
  • kṣīra : Milch (Kshira)
  • ājya : (und) geklärte(r) Butter (Ghee, Ajya)
  • bhojanam : Nahrung (Bhojana, insbesondere Reis vermischt mit)
  • tataḥ : dann, danach (Tatas)
  • abhyāse : (wenn die) Übungspraxis
  • dṛḍhī-bhūte : sich gefestigt hat (Dridha-Bhuta)
  • na : nicht (ist erforderlich, Na)
  • tādṛś : (an einer) solchen, derartigen (Tadrish)
  • niyama : Beschränkung (Niyama)
  • grahaḥ : (das) Festhalten (Graha)        ||14||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

In den ersten Stufen der Praktik sollte er Nahrung zu sich nehmen, die mit Milch und Ghee gemischt ist. Aber wenn er fortgeschritten ist, braucht er solche Einschränkungen nicht zu beachten.

In den ersten Stufen, wenn ihr euch reinigt, dürft ihr nur mit Reis und Ghee vermischte Nahrung zu euch nehmen. Solche Dinge wie Salz oder Gewürze müsst ihr vermeiden. Das solltet ihr sehr genau nehmen.

Sukadev

14. In den ersten Stufen der Praktik sollte er Nahrung zu sich nehmen, die mit Milch und Ghee gemischt ist.

Milch und Ghee gelten als Nahrung, welche das Prana stabilisieren. Milch ist schleimfördernd. Wenn also das Feuer sehr stark ist, mit Schweiß und Zittern, dann ist es ganz gut, wenn man etwas dazu tut, was das Ganze dämpft. Und Milch ist gut, das harmonisiert, ohne dass es deshalb grobstofflich wird. Also wenn man jetzt keine Beschwerden solcher Art hat, braucht man kein Fett zu nehmen.

– Aber wenn er fortgeschritten ist, braucht er solche Einschränkungen nicht zu beachten.

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2. Kapitel, Vers 15

Deutsche Übersetzung:

Ähnlich wie ein Löwe, Elefant oder Tiger sehr langsam gezähmt werden, | genau so gelangt auch der Atem unter Kontrolle. Ansonsten zerstört er den Yogi.

Sanskrit Text:

  • yathā siṁho gajo vyāghro bhaved vaśyaḥ śanaiḥ śanaiḥ |
    tathaiva sevito vāyur anyathā hanti sādhakam ||15||
  • यथा सिंहो गजो व्याघ्रो भवेद्वश्यः शनैः शनैः ।
    तथैव सेवितो वायुरन्यथा हन्ति साधकम् ॥१५॥
  • yatha simho gajo vyaghro bhaved vashyah shanaih shanaih |
    tathaiva sevito vayur anyatha hanti sadhakam ||15||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • yathā : wie (Yatha)
  • siṁhaḥ : (ein) Löwe (Simha)
  • gajaḥ : (ein) Elefant (Gaja)
  • vyāghraḥ : (ein) Tiger (Vyaghra)
  • bhavet : wird (bhū)
  • vaśyaḥ : gehorsam, folgsam (Vashya)
  • śanaiḥ śanaiḥ : ganz langsam, ganz allmählich (Shanais)
  • tathā : so (Tatha)
  • eva : genau (Eva)
  • sevitaḥ : behandelt (Sevita)
  • vāyuḥ : (der) Atem, Prana („Wind“,  Vayu)
  • anyathā : anderenfalls (Anyatha)
  • hanti : er tötet (han)
  • sādhakam : (den) Praktizierenden (Sadhaka)        ||15||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

So wie wir Löwen, Elefanten und Tiger Schritt für Schritt zähmen, so sollte auch Prana unter Kontrolle gebracht werden. Ansonsten wird es den Praktizierenden umbringen.

Habt ihr jemals einen Tiger im Zirkus gesehen? Wie wird er dressiert? Sehr, sehr langsam und sorgfältig, unter Beobachtung jedes Anzeichens der Stimmung der Raubkatze. Und was ist der Zweck des Sessels, der vor den Tiger gehalten wird? Er gehört nicht nur zum Schutz. Wenn der Tiger von seinen Klauen an dem Sessel Gebrauch macht, so reagiert der Sessel nicht, und so wird der Tiger, im Glauben, dass der Sessel ein Teil des Körpers des Menschen ist, zum Narren gehalten, dass er denkt, dass der Mensch stärker ist als er. Obwohl also der Tiger tatsächlich stärker ist, wird er von dem Intellekt des Menschen unterworfen.

Ebenso ist es mit Prana. Ihr müsst versuchen, Prana langsam zu kontrollieren. Ein gewaltsames Vorgehen, ein zu schnelles oder eines ohne entsprechende Ernährung usw. wird Reaktionen hervorrufen. Ebenso wie ein falsch behandelter Löwe oder Tiger, wird es euch anfallen. Diese Strophe ist eine Warnung, mit dem Prana nicht zu spielen, ohne den Regeln und Vorschriften zu folgen.

Sukadev

15. So wie wir Löwen, Elefanten und Tiger Schritt für Schritt zähmen, so sollte auch Prana unter Kontrolle gebracht werden. Ansonsten wird es den Praktizierenden umbringen.

Mir ist jetzt noch keiner bekannt, der vom Pranayama umgekommen ist, sogar nicht, wenn er es falsch gemacht hat. Trotzdem, man sollte Pranayama vom Lehrer lernen.

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2. Kapitel, Vers 16

Deutsche Übersetzung:

Durch geeignete Atemübungen (Pranayama) wird die Zerstörung aller Krankheiten bewirkt. | Ungeeignete Praxis hingegen bewirkt eine Verstärkung.

Sanskrit Text:

  • prāṇāyāmena yuktena sarva-roga-kṣayo bhavet |
    ayuktābhyāsa-yogena sarva-roga-samudgamaḥ ||16||
  • प्राणायामेन युक्तेन सर्वरोगक्षयो भवेत् ।
    अयुक्ताभ्यासयोगेन सर्वरोगसमुद्गमः ॥१६॥
  • pranayamena yuktena sarva roga kshayo bhavet |
    ayuktabhyasa yogena sarva roga samudgamah ||16||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • prāṇa-āyāmena : Atemzügelung (Pranayama)
  • yuktena : durch angemessene, richtige (Yukta)
  • sarva : jeglicher (Sarva)
  • roga : Krankheit (Roga)
  • kṣayaḥ : (die) Vernichtung (Kshaya)
  • bhavet : kommt zustande, wird sein (bhū)
  • ayukta : unangemessen(er, Ayukta)
  • abhyāsa : Übung(spraktiken, Abhyasa)
  • yogena : durch die Anwendung (Yoga)
  • sarva : sämtlicher
  • roga : Krankheiten
  • samudgamaḥ : (das) Entstehen, Erscheinen (Samudgama)      ||16||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Durch das Praktizieren von Pranayama (zusammen mit den rechten Speisen und entsprechenden Bandhas) wird man von Beschwerden befreit. Durch einen missverstandenen Yoga-Lehrgang zieht der Yogi alle Beschwerden an sich.

Also könnt ihr entweder alle eure Beschwerden loswerden oder ihr könnt alle Beschwerden bekommen, je nachdem, wie ihr praktiziert.

Sukadev

16. Durch das Praktizieren von Pranayama wird man von allen Beschwerden befreit.

Der Boris Sacharow übersetzt das, was im Sanskrit als ‚allen’ steht mit ‚allerlei’, weil er meinte, das wäre die beste Übersetzung, also von allerlei Beschwerden befreit.

– Durch einen missverstandenen Yoga-Lehrgang zieht der Yogi alle Beschwerden an sich.

Da solltet ihr jetzt aufpassen und euch keinerlei Ängste einjagen. Ihr habt das hier richtig gelernt. Ihr macht es richtig, und wenn ihr euch an die Anweisungen haltet, werdet ihr hier keine Schwierigkeiten bekommen. Und was er vorher sagt, bis er mit Schweiß bedeckt ist und bis sein Körper zittert, das heißt jetzt natürlich nicht, dass wir die Luft anhalten, bis wir in Ohnmacht fallen oder so was, sondern man macht das regelmäßig, und dann gibt es verschiedene Stufen der Reinigung, und eine Stufe der Reinigung kann sein, dass dort Schweiß ausbricht, dass einem heiß wird und dass der Körper anfängt zu zittern. Und dabei muss man aber so vorgehen, dass man immer noch ruhig ausatmen kann.

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2. Kapitel, Vers 17

Deutsche Übersetzung:

Schluckauf, Asthma und Bronchitis, sowie Kopf-, Ohr- und Augenschmerzen, | Verschiedene Krankheiten entstehen durch ein Ungleichgewicht des Atems.

Sanskrit Text:

  • hikkā śvāsaś ca kāsaś ca śiraḥ-karṇākṣi-vedanāḥ |
    bhavanti vividhāḥ rogāḥ pavanasya prakopataḥ ||17||
  • हिक्का श्वासश्च कासश्च शिरःकर्णाक्षिवेदनाः ।
    भवन्ति विविधाः रोगाः पवनस्य प्रकोपतः ॥१७॥
  • hikka shvasash cha kasash cha shirah karnakshi vedanah |
    bhavanti vividhah rogah pavanasya prakopatah ||17||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • hikkā : Schluckauf (Hikka)
  • śvāsaḥ : Asthma (Shvasa)
  • ca : und (Cha)
  • kāsaḥ : Husten (Kasa)
  • ca : und
  • śiras : Kopf- (Shiras)
  • karṇa : Ohren- (Karna)
  • akṣi : Augen- (Akshi)
  • vedanāḥ : Schmerzen (Vedana)
  • bhavanti : entstehen (bhū)
  • vividhāḥ : (die) verschiedentlichsten (Vividha)
  • rogāḥ : Krankheiten (Roga)
  • pavanasya : des Atems (“Windes”, Pavana, aus ayurvedischer Sicht ist der Dosha Vata gemeint)
  • prakopataḥ : aufgrund einer Reizung, Übererregung (Prakopa)         ||17||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Durch ein falsches Verfahren in Pranayama wird der Atem verschlechtert, und von daher entstehen Husten, Asthma, Schmerzen in Kopf, Augen, Ohren und verschiedene andere Beschwerden.

Asthma ist eine Atmungsschwierigkeit, aber diese Schwierigkeit wird nicht von den Lungen verursacht. Sie entsteht, weil das Prana unregelmäßig und auch in der falschen Richtung zum Atmungssystem kommt. Das Zwerchfell oder andere Muskeln können sich zusammenziehen, statt ausdehnen, oder das Atmen kann zu flach oder sonst wie ungeordnet sein. Dasselbe ist es mit Niesen und Husten – sie sind nichts als Bewegung des Pranas.

Falsch verstandene Praktiken von Pranayama, die Störungen im Prana hervorrufen, werden viele Arten von Krankheit hervorrufen. Deswegen werdet ihr zur Vorsicht ermahnt. Die Absicht ist nicht, euch in Angst zu versetzen, sondern euch zum sorgfältigen Praktizieren zu bringen. Das ist, wie wenn man eine Kettensäge gebraucht; ihr müsst wissen, wie man sie bedient, oder ihr könnt euch böse schneiden.

Sukadev

[15 und 16 s.o., 17 nicht vorgelesen]

Nachdem er gesagt hat, man soll das Ganze systematisch langsam machen, sagt im 18. Vers:

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2. Kapitel, Vers 18

Deutsche Übersetzung:

Der Yogi soll den Atem geübt ausatmen und einatmen, | und er soll geübt den Atem anhalten. So erreicht er wahrlich übernatürliche Fertigkeiten.

Sanskrit Text:

  • yuktaṁ yuktaṁ tyajed vāyuṁ yuktaṁ yuktaṁ ca pūrayet |
    yuktaṁ yuktaṁ ca badhnīyād evaṁ siddhim avāpnuyāt ||18||
  • युक्तं युक्तं त्यजेद्वायुं युक्तं युक्तं च पूरयेत् ।
    युक्तं युक्तं च बध्नीयादेवं सिद्धिमवाप्नुयात् ॥१८॥
  • yuktam yuktam tyajed vayum yuktam yuktam cha purayet |
    yuktam yuktam cha badhniyad evam siddhim avapnuyat ||18||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • yuktaṁ yuktaṁ : ganz angemessen, sehr aufmerksam (Yukta)
  • tyajet : man entlasse (tyaj)
  • vāyuṁ : (den) Atem („Wind“, Vayu)
  • yuktaṁ yuktaṁ : ganz angemessen, sehr aufmerksam
  • ca : und (Cha)
  • pūrayet : man atme ein (pṝ)
  • yuktaṁ yuktaṁ : ganz angemessen, sehr aufmerksam
  • ca : und
  • badhnīyāt* : man halte an („binde fest“, bandh)
  • evaṁ : so, auf diese Weise (Evam)
  • siddhim : Vollkommenheit, Erfolg (Siddhi)
  • avāpnuyāt : man kann erreichen (āp)       ||18||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda ergänzt, dass das „Atem anhalten“ (kumbh)  auch mit dem Setzen von Jalandhara Bandha und den anderen Bandhas verbunden (Yukta) ist: jālandhara-bandhādi-yuktaṃ badhnīyāt kumbhayet.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 111 behandelt.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Er sollte gemäßigt einatmen und gemäßigt ausatmen; er sollte auch gemäßigt den Atem anhalten.

Nicht über das Leistungsvermögen hinaus.

(fortgesetzt) So geschieht es, dass ein Mensch Siddhis erlangt.

Nur das Praktizieren von Einatmen, Anhalten und Ausatmen im richtigen Verhältnis bekommt ihr Kontrolle über Prana.

Sukadev

18. Er sollte gemäßigt einatmen und gemäßigt ausatmen. Er sollte auch gemäßigt den Atem anhalten.

also nicht übertreiben, nicht jenseits seiner Möglichkeiten.

– So geschieht es, dass ein Mensch Siddhis erlangt.

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2. Kapitel, Vers 19

Deutsche Übersetzung:

Wenn die Reinigung der subtilen Energiekanäle (Nadi) sich einstellt, dann mit diesen äußeren Zeichen: | Schlankheit und Schönheit des physischen Körpers. Dann war der Yogi sicherlich erfolgreich.

Sanskrit Text:

  • yadā tu nāḍī-śuddhiḥ syāt tathā cihnāni bāhyataḥ |
    kāyasya kṛśatā kāntis tadā jāyate niścitam ||19||
  • यदा तु नाडीशुद्धिः स्यात् तथा चिह्नानि बाह्यतः ।
    कायस्य कृशता कान्तिस् तदा जायते निश्चितम् ॥१९॥
  • yada tu nadi shuddhih syat tatha chihnani bahyatah |
    kayasya krishata kantis tada jayate nishchitam ||19||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • yadā : wenn
  • tu : aber
  • nāḍī : (der feinstofflichen Energie-)Kanäle (Nadi)
  • śuddhiḥ : (die) Reinheit (Shuddhi)
  • syāt : besteht
  • tathā : so, in diesem Maße
  • cihnāni : Anzeichen, Zeichen (Chihna)
  • bāhyataḥ : äußerliche („von außen“, Bahya)
  • kāyasya : des Körpers (Kaya)
  • kṛśatā : Schlankheit (Krisha)
  • kāntiḥ : Anmut, Schönheit, Glanz (Kanti)
  • tadā : dann
  • jāyate : entsteht
  • niścitam : gewiss, sicher (Nishchita)        ||19||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Wenn die Nadis gereinigt sind, sind die dadurch bedingten Zeichen wahrnehmbar, d. h. der Körper wird schlank und hell.

Ihr fühlt nicht, dass der Körper schwer ist. Wir reden nicht über physische Schwere. Ihr werdet euch beinahe so fühlen, als ob ihr drauf und dran wärt, die ganze Zeit zu fliegen (ohne Flügel natürlich), leicht und rein. Und es ist eine Ausstrahlung da – die Haut, das Gesicht und die Augen werden völlig strahlen und funkeln. Das zeigt, dass die Nadis gereinigt sind.

Sukadev

19. Wenn die Nadis gereinigt sind, sind die dadurch bedingte Zeichen wahrnehmbar, d.h. der Körper wird schlank und strahlend.

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2. Kapitel, Vers 20

Deutsche Übersetzung:

Willentliches Anhalten des Atems, Beruhigung der Verdauung, | Manifestation des göttlichen Klangs (Nada), Freiheit von Krankheiten entstehen aus der Reinigung der subtilen Energiekanäle (Nadi).

Sanskrit Text:

  • yatheṣṭaṁ dhāraṇaṁ vāyor analasya pradīpanam |
    nādābhivyaktir ārogyaṁ jāyate nāḍi-śodhanāt ||20||
  • यथेष्टं धारणं वायोरनलस्य प्रदीपनम् ।
    नादाभिव्यक्तिरारोग्यं जायते नाडिशोधनात् ॥२०॥
  • yatheshtam dharanam vayor analasya pradipanam |
    nadabhivyaktir arogyam jayate nadi shodhanat ||20||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • yathā-iṣṭaṁ : nach Belieben („wie gewünscht“, Yatha Ishta)
  • dhāraṇaṁ : (das) Anhalten (Dharana)
  • vāyo : des Atems, von Prana („Windes“, Vayu)
  • analasya : des (Verdauungs-)Feuers (Anala)
  • pradīpanam : (das) Auflodern, Entfachen (Pradipana)
  • nāda : (des inneren, „unangeschlagenen“) Klang(es, Nada)
  • abhivyakti : (das) Offenbarwerden, Erscheinen (Abhivyakti)
  • ārogyaṁ : Gesundheit („Nichtkrankheit“, Arogya)
  • jāyate : entsteht (jan)
  • nāḍi : (der feinstofflichen Energie-)Kanäle (Nadi)
  • śodhanāt : aufgrund der Reinigung (Shodhana)       ||20||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

Wenn die Nadis gereinigt sind, ist er fähig, seinen Atem länger anzuhalten. Das Magenfeuer wird noch stärker, Nada (die inneren Klänge) sind zu hören und er erfreut sich vollkommener Gesundheit.

Wenn der Atem für längere Zeit angehalten wird (wir reden nicht über den körperlichen Atem), geht das Prana in die Sushumna und dann gibt es ein Gleichgewicht zwischen der rechten und der linken Hälfte des Gehirns. Dann funktionieren auch beide Nadis, Ida und Pingala, abwechselnd. Das ist es, was mit „den Atem anhalten“ gemeint ist.

Wenn das Magenfeuer stärker wird, könnt ihr sogar Gift essen. Manche Leute hören Nada (innere Klänge), andere sehen eher Lichter, während wieder andere eine Art von Frieden, eine Stille, fühlen mögen. Ihr Geist möchte sich nicht bewegen oder irgendetwas hören – er möchte nur in dieser Erfahrung von Frieden und Stille ruhen. Die äußere Erfahrung wird von Person zu Person verschiedene Formen annehmen, aber alle Stufen (ob ihr Farben wahrnehmt, Lichter oder Klänge) haben eines gemeinsam: der Geist ist sehr sanft und friedlich. Das ist der wesentliche Punkt, der anzeigt, dass die Nadis gereinigt sind. Andererseits, wenn es keinen Frieden gibt und der Geist ständig nur wandert, ihr unglücklich oder in niedergeschlagener Stimmung seid, zeigt das, dass das Prana sich nicht richtig bewegt, weil die Nadis unrein sind.

Sukadev

20. Wenn die Nadis gereinigt sind, ist er fähig, seinen Atem länger anzuhalten. Das Magenfeuer wird noch stärker. Nada, die inneren Klänge, sind zu hören und er erfreut sich vollkommener Gesundheit.

Das sind also die Wirkungen von der Wechselatmung.

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