1. Kapitel, Vers 11

Deutsche Übersetzung:

Die Wissenschaft des Hatha-Yoga ist streng geheim zu halten von dem Yogi, der nach Erleuchtung strebt. | Sie ist kraftvoll im Verborgenen, bedeutungslos, [wenn sie] zur Schau gestellt [wird].

Sanskrit Text:

  • haṭha-vidyā paraṁ gopyā yoginā siddhim icchatā |
    bhaved vīryavatī guptā nirvīryā tu prakāśitā ||11||
  • हठविद्या परं गोप्या योगिना सिद्धिमिच्छता ।
    भवेद्वीर्यवती गुप्ता निर्वीर्या तु प्रकाशिता ॥११॥
  • hatha vidya param gopya yogina siddhim ichchhata |
    bhaved viryavati gupta nirvirya tu prakashita ||11||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • haṭha : (des) Hatha(-Yoga)
  • vidyā : (die) Wissenschaft (Vidya)
  • paraṁ : äußerst, aufs äußerste (Para)
  • gopyā : zu verbergen, geheim zu halten (Gopya)
  • yoginā : von einem Yogi
  • siddhim : Erfolg, Vollkommenheit (Siddhi)
  • icchatā : der wünscht (iṣ)
  • bhavet : (sie) ist, wird sein (bhū)
  • vīrya-vatī : kraftvoll, wirkungsvoll, mächtig (Virya)
  • guptā : (wenn) verborgen, geheimgehalten (Gupta)
  • nirvīryā : kraftlos, wirkungslos, machtlos (Nirvirya)
  • tu : jedoch (Tu)
  • prakāśitā : (wenn) offengelegt, öffentlich gemacht (Prakashita)     ||11||

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Brahmananda

In diesem Buch beschreibt er diese Vorgänge im Detail, aber dennoch sagt er, dass der Yogi es verborgen halten sollte. Es ist also offensichtlich, dass nicht alles preisgegeben wird und die wichtigsten Vorgänge direkt vom Guru gelernt werden sollten. Daraus folgt, dass jener, der dies nach einem theoretischen Studium und ohne Guru ausführt, zu Schaden kommen wird. Der Adkari oder Kandidat sollte die folgenden Qualifikationen aufweisen:
a. Er sollte seinen Verpflichtungen nachkommen und frei von persönlichen Motiven und Bindungen sein.
b. Er sollte sich in Yama und Niyama (später beschrieben) vervollkommnet und den Intellekt geschult haben. Er sollte Ärger überwunden haben.
c. Er sollte gänzlich seinem Guru und Brahmavidya ergeben sein.

Vishnu-devananda

11. Der Yogi, der das Verlangen nach Siddhi hat, sollte Hatha Yoga streng verborgen halten, denn es ist nur wirksam, wenn es verborgen gehalten wird. Es wird inhaltslos, sobald es ungerechtfertigt preisgegeben wird.

Kein Wunder, dass die Meister sich weigern, unterschiedslos alle Kandidaten zuzulassen und betonen, ein Aufnahmewürdiger ist die seltene Blütenerscheinung eines Zeitalters.
Das ist eine Mahnung, das Wissen verborgen zu halten. Breite es nicht vor jedem Beliebigen aus. Es ist ein Vidya, ein Wissen – etwas, das nicht für die Alltäglichkeit gedacht ist. Wenn der Schüler zum Lehrer kommt, beurteilt der Lehrer, ob er bereit ist. Darüber hinaus ist dies nichts für gedankenlose Verbreitung. Es ist nur für euch selbst. Eure Praktik sollte niemand anderem enthüllt werden, da man kein Verständnis haben wird. Sie ist auch nicht für die öffentliche Vorführung gedacht.

Sukadev

11. Der Yogi, der das Verlangen nach Siddhi hat,

Siddhi in der Einzahl heißt Vollkommenheit. Siddhis in der Mehrzahl sind die übernatürlichen Kräfte. Also

– Der Yogi, der das Verlangen nach Siddhi hat, sollte Hatha Yoga streng verborgen halten, denn es ist nur wirksam, wenn es verborgen gehalten wird. Es wird inhaltslos, sobald es ungerechtfertigt preisgegeben.

Das erzähl ich jetzt vor einer Versammlung von 70 Yogalehrern. Gut, es hängt davon ab, was wir weitergeben. Ich hoffe, ihr habt noch von der Yogalehrerausbildung in Erinnerung, ihr solltet nicht alles weitergeben, was ihr hier praktiziert.

Gerade die Praktiken, die der Swatmarama nachher beschreibt, sollte man nicht gleich in nem Anfängerkurs erzählen. Also jetzt nicht erzählen, dass man 4 Mal 2 Stunden am Tag Pranayama machen sollte. Erzählt nicht gleich in der ersten Stunde über die Kriyas, die dort sind, und über die komplexen Mudras, damit verwirrt ihr nur die Menschen. Und so muss man bewusst sein, wem erzählt man was. Auch in der ersten Klasse wird einem nicht die Differenzial- und Integralrechnung beigebracht, sondern das 1×1, vermutlich nur das 1+1 und 2-1 und so weiter. Wenn man der Erstklässlern versuchen würde, Differenzial- und Integralrechnung beizubringen, dann gäb es nur frustrierte Schüler und Lehrer. So ist das auch im Hatha Yoga.

Ihr lernt, wie man Asanas und Pranayama weitergebt. Ihr solltet aber nicht die JalandharaBandha weitergeben. Ihr solltet nicht die Samanu-Konzentration weitergeben, nicht den Gebrauch von Bija-Mantras weitergeben. Und auch nicht Ujjayi, Kumbhaka, Surya Bedha und Bhastrika in ihren fortgeschrittenen Variationen. Und auch nicht die fortgeschritteneren Mudras. Man sollte nicht die Perlen vor die Säue werfen, das ist ein Aspekt. Und ein Zwoter ist, wenn Menschen nicht in einem energetischen Schutzfeld sind, so wie hier, und man gibt dann Praktiken weiter, dann können die zu Ungleichgewichten führen. Weshalb wir es z.B. so machen, dass wir diese Art von Praktiken nur hier im Ashram oder auch im Rahmen von mehrjährigen Yogalehrerausbildungen weitergeben, oder wenn jemand ganz besonders befähigt ist und von mir dazu autorisiert wird. Es gibt auch in den ein oder anderen Zentren mal eine Ausnahme. Aber hier in dem Ashram gibt’s so ne Grundenergie. Außerdem haben die Leute die richtige Ernährung, die sie dazu brauchen. Und so kann man diese fortgeschrittenen Techniken weitergeben. Aber ihr solltet diese fortgeschrittenen Techniken nicht an Anfänger weitergeben. Es gibt wenige, die diese Hatha Yoga Pradipika so kennen. Man kann sehr viel machen. Ihr könnt die Stellungen länger halten. Ihr könnt mehr in die Variationen gehen. Ihr könnt beim Pranayama durchaus die Chakrenkonzentration machen, aber ohne Jalandhara Bandha.

Es gibt da schon ne ganze Menge, was man machen kann, ohne in diese Techniken zu gehen. Grundsätzlich nicht. Es sei denn, du hast jetzt schon einige fortgeschrittene Seminare gemacht. Und wenn du dann weißt, dass du Schüler hast, die sicher vegetarisch sind, und sicher jeden Tag Asanas , Pranayama und Meditation praktizieren, dann könntest du überlegen. Man muss auch selbst schon eine Weile die wirklich geübt haben, und dann muss man sicher sein, dass das Menschen sind, die die Voraussetzungen für diese Techniken erfüllen. Mula Bandha kann man schon unterrichten. Auch Uddhiyana Bandha im Stehen, spricht nichts dagegen, auch Ujjayi als Atemtechnik kann man unterrichten, aber eben nicht UjjayiKumbhaka mit allen Bandhas. Man könnte auch eine einfache Variation von Surya Bedha unterrichten. Rechts einatmen, anhalten, links ausatmen. Oder Chandra Bedha, links einatmen, anhalten, rechts ausatmen. Diese einfachen Variationen, aber nicht mit Bandhas und so weiter. Bija- Mantras normalerweise nicht. Gut, und genauso, wenn ihr selbst praktiziert, dann erzählt ihr nicht allen, dass ihr praktiziert, und was ihr grad praktiziert. Also wenn ihr sagt: „Einmal die Woche schlucke ich zwei Liter Salzwasser und speie sie wieder aus“, dann bringen die Leute nur Zweifel in euren Geist. Oder wenn ihr sagt: „Ich steh jeden Tag zwei Stunden lang auf dem Kopf“, finden die Leute auch ein bisschen komisch. Aber wenn die Leute fragen: „Du schaust so toll und gut gelaunt aus, was machst du?“ Dann kann man sagen: „Ja, ich praktiziere Yoga“. Man muss es ja nicht detaillierter angeben. „Und wo kann man das lernen?“ „Ja, ich gebe jeden Donnerstag einen Kurs von 19 – 20 Uhr.“ Da braucht man jetzt keine Hemmungen zu haben. Und es ist natürlich auch gut, wenn viele Menschen die Grundlagen des Hatha Yoga lernen. So sagt ja auchKrishna im 18. Kapitel der Bhagavad Gita: Keiner tut mir einen größeren Gefallen, als derjenige, der spirituelles Wissen weitergibt. Und das sind selbst die Asanas und Pranayama, wenn sie mit der richtigen Konzentration,Atmung, Entspannung weitergeben werden, ist das eine Vermittlung spirituellen Wissens.

Noch etwas zur Aussprache: Taapas mit langem a ist Leiden, Tapas mit kurzem a ist Askeseübungen oder intensive Praxis. Das ist manchmal so ein Unterschied. Z.B. auch beim OM Tryambhakam, da gibt’s zum Schluss Maamritat. Das heißt führe mich zur Unsterblichkeit. Wenn ihr statt dessen Mamritat sagt, das heißt führe mich zum Tod. Mrityor Mukshya Mamritat, das ist, wenn ihr Selbstmordgedanken hegt. Aber ihr wisst, dass es karmisch nicht erlaubt ist, sich selbst umzubringen, dann schafft man sich nur noch mehr Probleme. Dann kann man Mamritat sagen und hoffen. Also bitte sagt immer: „Maamritat“. Ist klar? Das ist zwar jetzt nicht so, wenn ihr’s falsch aussprecht, dass ihr dann gleich sterben werdet. Nichts desto trotz, wenn wir manchmal Inder zu Besuch haben, und die hören dann, eine Zuhörerschaft von 100 Leuten, die darum bitten, möglichst schnell umgebracht zu werden, dann empfinden die das als etwas eigenartig. Weshalb manche Inder, wenn sie in den Westen kommen, sagen sie nicht: „Maamritat“, sondern sagen: „Ma-amritat“, dass keiner auf die Idee kommt, es falsch auszusprechen. Oder auch Asatoma, sat gamaya, tamaso ma, jyotir gamaya, mrityor maamritam gamaya – führe mich von der Sterblichkeit zur Unsterblichkeit. Wenn man dagegen sagt: „Mrityor mamritam gamaya“, das heißt: Führe mich von der Sterblichkeit direkt zum Tod. Oder auch, es heißt: Harre Rama, Harre Rama, Rama Rama Harre Harre. Und Harre ist ein Beiname von Vishnu, und es heißt: Der die Herzen aller zu sich zieht. Es heißt auch so was wie: Bitte zieh mich zu dir. Wenn wir statt dessen sagen: „Ha-a-re Harre, Ha-a-re Harre“, – Ha-a-re heißt: Bring mich um. Kann man ja auch sagen: Bring mein Ego um“, oder: „Vernichte mich“. Eigentlich nicht: Bring mich um, sondern: Vernichte mich. Ha-a-re Harre. Also bitte nicht: Ha-a-re, sondern: Harre oder: Hare-e, das ist auch gut. Der Swami Vishnu hat immer den Kirtan gestoppt, wenn jemand gesagt hat Ha-a-re Hare. Er hat fast alles durchgehen lassen, aber wenn jemand gesagt hat, vernichte mich, oder töte mich, das hat er immer gestoppt. Gut, aber keine Angst, wenn ihr das falsch ausgesprochen habt. Letztlich, sehr viel zählt das Herz. Aber am Besten ist, man hat das Herz dabei, man weiß die Bedeutung und man spricht es korrekt aus. Dann habt ihr alles gut. Gut.

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1. Kapitel, Vers 12

Deutsche Übersetzung:

Der Hatha-Yogi soll in einer Einsiedelei wohnen, | diese soll 2 Meter lang sein und entfernt von Felsen, Wasser oder Feuer, | sie soll sich in einem tugendhaften Königreich befinden, in einer gefahrlosen Gegend, wo es viele Almosen gibt.

Sanskrit Text:

  • su-rājye dhārmike deśe su-bhikṣe nirupadrave |
    dhanuḥ-pramāṇa-paryantaṁ śilāgni-jala-varjite |
    ekānte maṭhikā-madhye sthātavyaṁ haṭha-yoginā ||12||
  • सुराज्ये धार्मिके देशे सुभिक्षे निरुपद्रवे ।
    धनुः प्रमाणपर्यन्तं शिलाग्निजलवर्जिते ।
    एकान्ते मठिकामध्ये स्थातव्यं हठयोगिना ॥१२॥
  • surajye dharmike deshe subhikshe nirupadrave |
    dhanuh pramana paryantam shilagni jala varjite |
    ekante mathika madhye sthatavyam hatha yogina ||12||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • su-rājye : in einem guten Königreich (Surajya)
  • dhārmike : voller Tugenden, voller Rechtschaffenheit (Dharmika)
  • deśe : in einer Gegend (Desha)
  • su-bhikṣe : reich an Nahrungsmitteln, reich an Almosen (Subhiksha)
  • nir-upadrave : frei von Gefahren (Nirupadrava)
  • dhanuḥ-pramāṇa* : (einer) Bogenlänge (ein Längenmaß, Dhanus-Pramana)
  • paryantaṁ* : (im) Umkreis (Paryanta)
  • śilā* : Steine, Felsbrocken (Shila)
  • agni* : Feuer (Agni)
  • jala* : Wasser (Jala)
  • varjite : frei von (Gefahren durch, Varjita)
  • ekānte : an einem einsamen Ort (Ekanta)
  • maṭhikā : (einer) Hütte, Klause, Einsiedelei (Mathika)
  • madhye : inmitten (Madhya)
  • sthātavyaṁ : soll wohnen („ist zu wohnen“, Sthatavya)
  • haṭha-yoginā : (ein) HathaYogi    ||12||

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda gibt eine „Bogenlänge“ als ein „Maß (Matra) von vier (Chatur) Ellen“ (Hasta) an, was ca. 184 cm entspricht: dhanuḥ-pramāṇaṃ catur-hasta-mātraṃ. Dort, wo (yatra) sich der Sitz (Asana) des Yogi befindet, sollen im Unkreis (Paryanta) einer Bogenlänge bzw. in einer Entfernung (Matra) von vier Ellen (catur-hasta) keine Steine (Shila), kein Feuer (Agni) und kein Wasser (Jala) sein: yatrāsanaṃ tataś catur-hasta-mātre śilāgni-jalāni na syur.

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

12. Der Praktizierende von Hatha Yoga sollte alleine in einer kleinen Matha oder Klause leben, die auf einem Platz liegt, der frei ist von Gestein, Wasser und Feuer – in der Reichweite einer Bogenlänge, und in einem fruchtbaren Landstück, von einem tugendhaften König regiert, wo er nicht gestört wird.

Das Land sollte eines sein, in dem die Leute keine Vielfraße, Banditen oder Gewalttäter sind. Es sollte eine friedliche Umgebung haben, eine ohne Terroristen, Räuber oder Diebe. In einer großen Stadt ist es oft gefährlich, unterwegs zu sein; ein Platz auf dem Land ist gewöhnlich besser geeignet. „Ein Landstrich, von einem tugendhaften König regiert“, ist dort, wo der König Dharma praktiziert. Viele Länder werden von Diktatoren regiert, und sind Orte, wo es gesetzlich verboten ist, solche Dinge zu praktizieren. Ich möchte sie nicht beim Namen nennen, aber in bestimmten Ländern könntet ihr für diese Praktiken verhaftet werden. Wir müssen völlige Freiheit für unsere Praktik haben, ohne Angst vor Störungen.
Ihr müsst euch an einem Ort aufhalten, wo Nahrung zur Verfügung steht. Ohne sattvige Nahrung, wie reichlich Gemüse, Früchte und Milch, könnt ihr nicht meditieren oder Hatha Yoga praktizieren.
„Frei von Steinen, Wasser und Feuer“: Das sind sehr genaue Anweisungen. „Die Reichweite einer Bogenlänge (einen Bogenschuss weit)“, das ist vielleicht zwischen fünfzehn und zwanzig Meter. Stellt euer Zelt oder eure Behausung weiter als zwanzig Meter von einem Abhang entfernt, wegen des Steinfalls. Stellt eure Behausung nicht in einem Gebiet auf, das Waldbränden, Erdbeben oder Vulkanen ausgesetzt ist. Stellt euer Zelt nicht in der Nähe eines Sumpfes auf, der euch Störungen von Moskitos und andere Plagen bringen wird. Das sind alles gesundheitliche Erwägungen. Sie sollten von niemandem leichtfertig übergangen werden, der diesen mühsamen YogaWeg einschlägt.

Sukadev

12. Der Praktizierende von Hatha sollte alleine in einer kleinen Matha oder Klause leben, die auf einem Platz liegt, der frei ist von Gestein, Wasser und Feuer – in der Reichweite einer Bogenlänge, und in einem fruchtbaren Landstück, von einem tugendhaften König regiert, wo er nicht gestört wird.

Gut, das klingt jetzt hier etwas eigenartig. Aber zunächst mal – frei ist von Gestein, Wasser und Feuer, in der Reichweite einer Bogenlänge, das heißt innerhalb von 15, 20 Metern ist da kein Fluss. Nicht, dass man sich jetzt intensiv hingelegt, hingesetzt hat zu Pranayama und dann gibt’s ne Überschwemmung. Und auch muss man aufpassen, dass dort nicht irgend eine Feuergefahr herrscht. Auch aufpassen, dass es nicht am Abhang ist, dass man nicht vom Steinschlag erschlagen wird. Das sind einfache Dinge, aber wenn sich jemand in die Einsamkeit begibt, dann ist es wert, solche praktischen Erwägungen zu haben. Gut – fruchtbarem Landstück – im alten Indien, in den Subtropen, da konnte man sich ernähren mit dem, was es dort gab im Wald. Da gab’s ein paar Mangobäume, und n paar Bananenbäume, und n paar andere. Und wenn man das hat, dann braucht man sich nicht um die Nahrung zu kümmern. Ansonsten ist es gut, sich schon vorher um die Nahrung zu kümmern, das man nicht in die Großstadt gehen muss, um seinen Vollkornreis zu besorgen, dass man schon genügend im Voraus hat. Und: – Von einem tugendhaften König regiert. Das heißt, es gibt Diktaturen, wenn dort jemand Yoga machen würde, der würde umgebracht werden. Z.B. früher in Afghanistan, wenn jemand dort Yoga gemacht hätte, der wäre der Häresie für schuldig befunden werden, und der wäre gesteinigt worden. Oder auch im Iran, wenn jemand eine Puja machen wollte, das würde als Gotteslästerung angesehen werden, und die Menschen würden vor’s Revolutionsgericht gebracht werden. Asanas, glaub ich, dürfen heutzutage in Persien gemacht werden, aber man muss da sehr aufpassen. Auch früher in Ostdeutschland, das war auch nicht so einfach. Nicht ohne Grund sind heute die führenden Anatomie- und Physiologieforscher in Yoga aus östlichen Ländern. Also Yoga Darshana, einer der Vereine, die sich die wissenschaftliche Erforschung von Yoga zum Ziel gemacht haben, hat den Sitz in Leipzig. Und dann gibt’s einen Professor Dostanek an der Universität in Prag, der seit 30 Jahren die Forschungen in den physiologischen Aspekten des Yoga macht. Eigentlich haben all die Leute, die das initiiert haben, mit Wissenschaft gar nicht so viel am Hut gehabt, die wollten das praktizieren können. Und um das rechtfertigen zu können, mussten sie zeigen können, dass es physiologisch gut ist. So herum war dann die Reihenfolge. Und in einem Land, wo Religionsfreiheit herrscht und Praxisfreiheit, da konnte man so was machen. In diesem Land, wenn man sagt, man macht jetzt 12 Stunden am Tag Pranayama, dann wird man zwar für verrückt erklärt, aber man wird nicht ins Gefängnis gesteckt und auch nicht erschossen. Von daher haben wir da Vorteile.

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1. Kapitel, Vers 13

Deutsche Übersetzung:

Mit einer kleinen Tür, ohne Fenster, Löcher oder Spalten, nicht zu hoch oder niedrig, vollständig mit einer dicken, intakten Schicht von Kuh-Dung beschmiert, komplett frei von Getier. | Auch äußerlich ist die kleine Hütte ordentlich mit Umzäunung, Altar, von einer freien Fläche umgeben. Genau so wurde die Yoga-Klause sogar von den Meistern für den Hatha-Yogi beschrieben.

Sanskrit Text:

  • alpa-dvāram arandhra-garta-vivaraṁ nāty-ucca-nīcāyataṁ
    samyag-gomaya-sāndra-liptam amalaṁ niḥśeṣa-jantūjjhitam |
    bāhye maṇḍapa-vedi-kūpa-ruciraṁ prākāra-saṁveṣṭitaṁ
    proktaṁ yoga-maṭhasya lakṣaṇam idaṁ siddhair haṭhābhyāsibhiḥ ||13||
  • अल्पद्वारमरन्ध्रगर्तविवरं नात्युच्चनीचायतं
    सम्यग्गोमयसान्द्रलिप्तममलं निःशेषजन्तूज्झितम् ।
    बाह्ये मण्डपवेदिकूपरुचिरं प्राकारसंवेष्टितं
    प्रोक्तं योगमठस्य लक्षणमिदं सिद्धैर्हठाभ्यासिभिः ॥१३॥
  • alpa dvaram arandhra garta vivaram naty uchcha nichayatam
    samyag gomaya sandra liptam amalam nihshesa jantujjhitam |
    bahye mandapa vedi kupa ruchiram prakara samveshtitam
    proktam yoga mathasya lakshanam idam siddhair hathabhyasibhih ||13||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • alpa : (mit) kleiner (Alpa)
  • dvāram : Tür (Dvara)
  • a-randhra : ohne Öffnung, ohne Fenster (Randhra)
  • garta : Loch, Grube (a-Garta: ohne Löcher oder Vertiefungen, eben)
  • vivaraṁ : Öffnung, Spalte, schadhafte Stelle  (a-Vivara: ohne Spalten)
  • na : nicht (Na)
  • ati : allzu (Ati)
  • ucca : hoch (Uchcha)
  • nīca : niedrig (Nicha)
  • āyataṁ : sich erstreckend, sich ausdehnend (Ayata)
  • samyak : vollständig, auf die rechte Weise (Samyak)
  • gomaya : (Schicht aus) Kuhdung (Gomaya)
  • sāndra : (mit einer) dicken (Sandra)
  • liptam : beschmiert (Lipta)
  • amalaṁ : makellos, rein (Amala)
  • niḥśeṣa : vollständig, restlos (Nihshesha)
  • jantu : Ungeziefer, Insekten, Getier (Jantu)
  • ujjhitam : frei (von, Ujjhita)
  • bāhye : draußen, außerhalb (der Hütte, Bahya)
  • maṇḍapa : (einen) einer Gottheit geweihten Ort, (einen kleinen) Schrein (Mandapa)
  • vedi : Opferaltar (Vedi)
  • kūpa : Brunnen (Kupa)
  • ruciraṁ : schön, ansprechend, zusagend (durch, Ruchira)
  • prākāra : (einer) Mauer, (einem) Wall (Prakara)
  • saṁveṣṭitaṁ : umgeben (mit, Samveshtita)
  • proktaṁ : wurde gegeben, wurde gelehrt (Prokta)
  • yoga-maṭhasya : einer Yoga-Klause (YogaMatha)
  • lakṣaṇam : Beschreibung („Definition“, Lakshana)
  • idaṁ : diese (Idam)
  • siddhaiḥ : von den vollkommenen Meistern (Siddha)
  • haṭha : (des) Hatha(-Yoga)
  • abhyāsibhiḥ : den Praktzierenden (Abhyasa)   ||13||

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Brahmananda

Wenn es sehr hoch ist, gibt es große Schwierigkeiten hochzukommen, wenn es sehr lang ist, wird das Auge weit wandern. Nandikeshwara fügt dem hinzu: „Die Klause sollte von Blumengärten und Weiden umgeben sein, damit das Auge des Yogis ruhig wird, wenn es auf ihnen ruht. Auf die Wände seines Raumes sollte er Bilder vom Rad des Daseins und dem ihn begleitenden Elend zeichnen. Er sollte eine Verbrennungsstätte darstellen und die Narakas (die Höllen oder Reinigungsplätze nach dem Tod), so dass der Geist des Yogi Abneigung und Entsetzen diesem weltlichen Leben gegenüber annimmt.“

Vishnu-devananda

13. Die Matha (Klause, Einöde) sollte eine sehr kleine Türe haben. Sie sollte fensterlos sein. Sie sollte eben und ohne Löcher sein. Sie sollte weder zu hoch noch zu lang sein. Sie sollte sehr sauber sein, täglich mit Kuhdung überschmiert und frei von allen Insekten. Außen sollte sie einen kleinen Platz mit einem erhöhten Sitz haben, und einen Brunnen. Das Ganze sollte von einer Mauer umgeben sein. Das sind die Wesensmerkmale einer Yoga-Matha, wie sie von den Siddhas dargelegt worden sind, die Hatha Yoga ausgeübt haben.

Matha bedeutet Hütte (oder es kann ein Ashram sein). Sie sollte keine so großen Fenster haben, dass euer Geist nach außen wandert. Kuhdung wurde in Indien in alten Zeiten verwendet, als es noch keinen Zement für den Fußboden gab. Wenn er über den nackten Erdboden verschmiert war, trocknete er zu einer harten Oberfläche, die die Insekten vom Eindringen abhielt. Er wird sogar heute noch in ländlichen Gegenden verwendet.

Sukadev

13. Die Matha (Klause, Einöde) sollte eine sehr kleine Türe haben. Sie sollte fensterlos sein. Sie sollte eben und ohne Löcher sein.

Das ist hauptsächlich, damit keine Tiere reinkommen. Weder Löwen noch Tiger, und auch dass die Wespen und Mücken nicht zuviel Einlass finden.

– Sie sollte weder zu hoch noch zu lang sein. Sie sollte sehr sauber sein, täglich mit Kuhdung überschmiert und frei von Insekten.

Kuhdung – in Indien ist die Kuh heilig. Und zwar aus guten Gründen. Nicht nur aus spirituellen Gründen. Die Kuh ist ein eigentlich auch Symbol für Sanftmütigkeit. Wenn man in Indien auf der Straße war und dort diese Kühe sieht, die sind eigentlich so – gut, manchmal sind es Tyrannen, weil sie sich nicht fortbewegen – aber wenn man nicht will, dass sie sich fortbewegen, dann kann man sie streicheln, man kann alles mögliche mit ihnen machen, es sind sehr sanftmütige Tiere. Aber auch aus wirtschaftlichen Gründen. Denn die Kühe geben erstens Milch, eine Hauptquelle für Eiweiße. Zwotens waren früher die Bullen die Zugtiere, die den Pflug gezogen haben, und der Dung der Kühe war der Hauptbrennstoff. Der wird in der Sonne getrocknet, und anschließend dann kann man den zum Kochen nehmen. Und bis heute noch wird in großen Teilen Indiens in dörflichen Regionen das Essen mit Kuhdung gekocht. Manchmal sieht man da so richtig an den Straßen diese Kuhfladen. Da werden dann so richtige Berge, Hügel draus gemacht, Kuhfladenhügel. Mit denen wird dann Handel getrieben und so weiter. Und dieser getrocknete Kuhdung, den kann man mit Wasser auch wieder auflösen, und da kann man so eine Farbe draus machen, die sehr weiß ist, eine sehr natürliche Farbe, die auch Insekten abwehrt, obwohl sie nicht riecht. Und bakterizid wirkt, also es ist etwas hygienisches.

– Außen sollte sie einen kleinen Platz mit einem erhöhten Sitz haben,

dass, eben wenn man mal draußen meditieren will, dass man dann draußen meditieren kann. Und erhöht natürlich, dass da die Ameisen nicht hochkrabbeln.

– und einen Brunnen.

Dass man was zu trinken hat.

– Das Ganze sollte von einer Mauer umgeben sein.

Dass man nicht von Löwen und Tigern gefressen wird.

– Das sind die Wesensmerkmale einer Yoga-Matha, wie sie von den Siddhas dargelegt worden sind, die Hatha Yoga ausgeübt haben.

Gut, in unserer heutigen Zeit ist das jetzt nicht so ganz anwendbar. Aber ihr könnt dort die Grundprinzipien anschauen. Wenn ihr intensiv üben wollt, dafür zu sorgen, dass man was zu essen hat, dass man von anderen Leuten nicht gestört wird. Günstig ist auch ein Ashram. In einen Ashram zu gehen, wo eine spirituelle Schwingung ist, wo man alles kriegt, was man zum Essen braucht. Man kann auch ein Zelt aufstellen, dann hat man seine Matha. Swami Vishnu interpretiert das immer in Bezug auf das Zelt. Denn, sein Kommentar zur Hatha Yoga Pradipika war während eines 14-Tage-Sadhana-Intensiv, wo er die Teilnehmer zu Pranayama bis zu sechs, acht Stunden am Tag angeleitet hat. Und dort war die Voraussetzung, dass jeder in einem Zelt schläft. Bisschen Askese.

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1. Kapitel, Vers 14

Deutsche Übersetzung:

Wahrlich in eben dieser Klause, frei von Sorgen, | soll Yoga wahrlich genau so geübt werden, wie es vom Lehrer unterrichtet wurde.

Sanskrit Text:

  • evaṁ-vidhe maṭhe sthitvā sarva-cintā-vivarjitaḥ |
    gurūpadiṣṭa-mārgeṇa yogam eva samabhyaset ||14||
  • एवंविधे मठे स्थित्वा सर्वचिन्ताविवर्जितः ।
    गुरूपदिष्टमार्गेण योगमेव समभ्यसेत् ॥१४॥
  • evam vidhe mathe sthitva sarva chinta vivarjitah |
    gurupadishta margena yogam eva samabhyaset ||14||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • evaṁ-vidhe : in (einer) sogearteten (Evamvidha)
  • maṭhe : Klause (Matha)
  • sthitvā : sich befindend, wohnend (sthā)
  • sarva : aller (Sarva)
  • cintā : Sorgen (Chinta)
  • vivarjitaḥ : ledig (Vivarjita)
  • guru : (vom eigenen) Meister (Guru)
  • upadiṣṭa : (wie) es gelehrt wurde (Upadishta)
  • mārgeṇa : in der Weise („auf dem Weg“, Marga)
  • yogam : den (Haṭha-)Yoga
  • eva : einzig, allein, ausschließlich (Eva)
  • samabhyaset : soll man praktizieren (sam + abhi + as)       ||14||

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Brahmananda

Auf die Notwenigkeit, beim Ausüben von Yoga einen Guru zur Seite zu haben, wird hier eindringlich hingewiesen. Die Yogabija sagt: „Wer Yoga ausüben will, sollte einen Guru haben.“ – Die verschiedenen Standard-Werke zu Yoga sind, meine ich, nicht so sehr für Anfänger oder Schüler gedacht, sondern für Lehrer, als Leitfäden, um das Üben ihrer Schüler zu regeln. Sogar in der Medizin würde jemand als Quacksalber und Scharlatan in Verruf geraten, der eine Behandlung nach Gutdünken verschreibt, ohne die Natur und die Besonderheiten des Systems seines Patienten gründlich studiert zu haben, und ohne die Fähigkeit, die Auswirkung verschiedener Medikamente auf den inneren Organismus klar zu sehen. Aber im Hatha Yoga, wo der geringste Fehler in Tod oder Wahnsinn enden kann, ist es absolut notwendig, einen Guru zu haben, der den ganzen Weg erfolgreich durchschritten hat, der klaren Durchblick durch unser System hat und die Auswirkungen der verschiedenen Vorgänge beobachten und in Übereinstimmung bringen kann.

Vishnu-devananda

14. Auf so einem Platz sollte der Yogi seinen Geist von allen Sorgen befreien und den Yoga, den ihm sein Guru lehrt, ausüben.

Es ist nicht so, dass der Yogalehrer ein Babysitter ist, ständig am Aufpassen. Er führt dich.
Er sollte Pranayama nur unter der Anleitung seines Gurus beginnen. Ansonsten könnte er den richtigen Gebrauch des Zwerchfells nicht kennen.
Raja Yoga sagt: „Kaivalya kann man bei allem Studium der Vedas, Shastras und Tantras ohne die Anweisungen eines Gurus nicht erlangen.“ Das heißt, das bloße Studieren all der Bücher bringt nicht das ersehnte Ergebnis, ihr müsst praktizieren. Viele Leute lesen die Bhagavad Gita oder die Ramayana und sie setzen nichts in die Tat um. Andere lesen die Bibel und dann gehen sie und rauchen. So eine Handlungsweise wird euch nichts bringen. Das Umsetzen in die Tat ist wichtig.
Im Skanda Purana wird gesagt: „Die acht Stufen des Yoga sollen nur von einem kompetenten Guru gelernt werden. Die Siddhis sollen nur aus Shivas Hand erlangt werden.“ „Acht Stufen“ bezieht sich auf Ashtanga (achtgliedriges oder Raja Yoga). Die Siddhis werden von Shiva nur erlangt, wenn ihr wisst, dass ihr von diesen Kräften keinen Gebrauch machen werdet. Dann kommen sie automatisch zu euch.
Die Srutis sagen: „Die Mahatmas enthüllen diese Dinge nur dem, der eine tiefe Ergebenheit vor seinem höheren Selbst hat und eine ebensolche für seinen Guru. Nur wer einen Acharya oder Guru hat, weiß.“ Das heißt, dass die Siddhis oder das Wissen nur jemanden gegeben werden, der Hingabe an das Höhere Selbst hat, nicht an das Ego oder an den Körper. Ergebenheit an den Guru ist auch deshalb notwendig, weil Gott und Guru eins sind. Da Gott nicht direkt zu Hilfe kommen wird, muss es sich in eurem Lehrer verkörpern. Wie viel Platz das Schülerverhältnis einnimmt, das richtet sich nach der Natur des Lehrers. Einige Gurus mögt ihr nur für einen Tag haben. Gurudev Sivanandas Lehrer brauchte nur eine Stunde zu bleiben, weil Sivananda schon in vergangenen leben praktiziert hatte. Nach nur wenig weiterer Praktik wurde er ein großer Meister. Dann, Jahre später, als er mich berührte, kam all mein vergangenes Wissen, und er machte mich zu einem Hatha Yoga Professor. Mein Meister saß nicht mit mir beisammen und lehrte mich all diese Dinge. Ich hatte schon vorher nach seinem „Sadhana Tattwa“ praktiziert, aber seine Gegenwart wurde gebraucht, um diese vergangenen Erinnerungen zurückzubringen.
Ein Lehrer wird benötigt, um dieses Wissen von Samskaras (subtilen Eindrücken) aus vergangenen Leben zu wecken. Ihr seid nicht bloß unwissend oder blind geboren. Der Lehrer öffnet die Samskaras durch Berührung, Geruch oder Lehren usw. In den alten Zeiten war das für den Lehrer der gebräuchlichste Weg zu lehren.

Der Lehrer selbst muss auch durch dieses Üben gegangen sein und sein Leben diszipliniert haben, um diese Lebensordnung euch auferlegen zu können. Er muss wissen, wie viel er euch geben kann, da er eure Entwicklung sieht. Er muss wie ein Doktor verschreiben: vielleicht ein bestimmtes Maß von Japa, um eine übermäßig rajasige Natur zu reduzieren etc.

Sukadev

14. Auf so einem Platz sollte der Yogi seinen Geist von allen Sorgen befreien und den Yoga, den ihn sein Guru lehrt, ausüben.

Gut, egal, wo ihr seid, ihr könnt euch auch vorstellen, dass ihr in einer Matha seid. Denn wir sind da, wo unser Geist ist. Das mach ich auch manchmal. Hab ich zumindest gemacht, als ich in den Stadtzentren war und viel praktiziert habe. Da hab ich so am Anfang mir vorgestellt, ich bin jetzt irgendwo mitten in Indien im Dschungel, und da bin ich in ner Hütte und hab mir dann die Hatha-Yoga-Verse dort geistig wiederholt, und hab mir vorgestellt, da bin ich. In dem Moment, wo man denkt, dass man da ist, da ist man auch da. Ihr könnt in einem dreißigstöckigen Hochhaus sein in der fünfundzwanzigsten Etage, und da mag unten ne sechsspurige Autobahn vorbeifahren – in dem Moment, wo ihr dort oben denkt, ihr seid in einer Klause, in dem Moment seid ihr in einer Klause. Also geistig dort. Und dann eben sagen: Jetzt bin ich allein und praktiziere für mich. Und für die Zeit der Praxis befreit man seinen Geist von allen Sorgen. Wie macht man das? Gar nicht so einfach. Eine Weise wäre, in dem man seinem Geist sagt: „Du, Geist, in zwei Stunden kann ich mir wieder Sorgen machen. Für die nächsten zwei Stunden verschiebe ich das.“ Das muss man dann systematisch immer wieder machen. Das ist so ähnlich, wie wenn man ein Kleinkind hat, und das Kind sagt: „Mama, ich will ein Eis.“ Dann: „Jetzt nicht, erst in zwei Stunden.“ Was macht das Kind in einer Viertelstunde? „Mama, ich will ein Eis. Wann kann ich ein Eis haben?“ Und dann muss man sie irgendwie ablenken, das ist der nächste Punkt. Man muss die Kinder ablenken. Es nutzt jetzt nichts, wenn die Kinder sagen: „Mama, ich will ein Eis“, jetzt stundenlang ihnen zu erklären, warum das Eis nicht gut für sie ist. Manchmal muss man auch aushalten, dass die Kinder frustriert sind. So ähnlich muss man’s auch mit seinem Geist aushalten können. Manchmal muss man den Geist ablenken, und manchmal hilft das mit dem verschieben am Besten. Ich hab zwar noch selbst keine Kinder großgezogen, aber ich erlebe hier öfters Kinder und krieg’s vielleicht besonders mit, wenn Freunde von mir herkommen mit Kindern, wie der Chandra oder der Yogihari oder der Chanmok, dann sehe ich, dass sie durchaus unterschiedliche Kindererziehweisen haben. Im Grunde genommen kann man so auch mit seinem eigenen Geist umgehen. Gut, und dann

– den Yoga, den ihn sein Guru lehrt, ausüben.

Insbesondere wenn man am Anfang der Praxis ist, sollte man sich an die klassischen Regeln halten von jemandem. Wenn man fortschreitet in der Praxis kommt man irgendwo an Punkte, wo man vielleicht auch von anderen Techniken etwas profitiert. Und irgendwann kommt man an nen Punkt, wo einen die innere Energie weiterführt. Auch das sollte man dann öfters mal überprüfen. Dann kann man jemand fragen und sagen: „Ich hab’s beim letzten Mal gespürt, ich will das so und so machen. Ist das so o.k.?“ Ich z.B. hab das beim Swami Vishnu so gemacht. Ich hab erst eine ganze Weile nur das praktiziert, was er mir gesagt hat. Und dann hab ich öfters auch was gelesen, und dann hab ich öfters auch gespürt, was mein Körper von selbst machen wollte. Und dann hab ich ihn danach gefragt, und er hat mir gesagt, was o.k. ist, und was nicht o.k. ist. Diese Praktiken sind sehr machtvoll, und so ist es gerade am Anfang gut, sich an die Sachen zu halten, und es ist auch später gut, die Sachen öfters mal von jemand zu fragen, ob das soweit o.k. ist. Nicht das unsere Energien in eine falsche Richtung gehen.

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1. Kapitel, Vers 15

Deutsche Übersetzung:

Überessen, Überanstrengung, Schwätzen und Regelhörigkeit; | oberflächliche Geselligkeit und Unbeständigkeit, durch diese sechs [Untugenden] geht das Yoga verloren.

Sanskrit Text:

  • atyāhāraḥ prayāsaś ca prajalpo niyama-grahaḥ |
    jana-saṅgaś ca laulyaṁ ca ṣaḍbhir yogo vinaśyati ||15||
  • अत्याहारः प्रयासश्च प्रजल्पो नियमाग्रहः ।
    जनसङ्गश्च लौल्यं च षड्भिर्योगो विनश्यति ॥१५॥
  • atyaharah prayasash cha prajalpo niyama grahah |
    jana sangash cha laulyam cha shadbhir yogo vinashyati ||15||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • atyāhāraḥ : Übermaß im Essen (Atyahara)
  • prayāsaḥ : (unangemessene) Anstrengung, Überanstrengung (Prayasa)
  • ca: und (Cha)
  • prajalpaḥ : Geschwätz, unbesonnene Worte (Prajalpa)
  • niyama : (unangemessene) Regel(n), Gelübde, Observanz(en, Niyama)
  • grahaḥ : Sichklammern (an), Bestehen, Versessensein (auf, Graha)
  • jana : (mit) Leute(n, Jana)
  • saṅgaḥ : (unpassender) Umgang, Verkehr (Sanga)
  • ca: und
  • laulyaṁ : Unruhe, Unbeständigkeit, Gier, Verlangen (Laulya)
  • ca : und
  • ṣaḍbhiḥ : durch (diese) sechs (Shash)
  • yogaḥ : (der) Yoga
  • vinaśyati : geht verloren, wird zunichte, wird wirkungslos (vi + naś)   ||15||

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Brahmananda

Die Gelübde sind solche Dinge, wie z. B. in kaltem Wasser früh am Morgen zu baden, Mahlzeiten (nur) in der Nacht einzunehmen, und Fasten.

Vishnu-devananda

15. Der Yogi geht durch Überessen, harte körperliche Arbeit, zu viel Reden, das Einhalten von (unpassenden) Gelübden, schlechte Gesellschaft und Unbeständigkeit zugrunde.

Das sind Warnungen. Gewisse Dinge werden euch keinen Erfolg bringen; ihr werdet das Ziel nicht erreichen. Harte körperliche Arbeit z. B. Wenn ihr intensiv Asanas und Pranayama praktiziert, könnt ihr nicht zehn Stunden Holz fällen. Reduziert es eben. Ein kaltes Bad kann zu einer bestimmten Zeit gut sein, aber nicht während intensivem Pranayama. E s wird eure Nerven zertrümmern. In solchen Zeiten ist nur ein warmes Bad erlaubt. Ebenso solltet ihr nicht nahe beim Feuer sitzen. So wie ihr euch während dieses intensiven Sadhanas nicht mit Nahrung überladen könnt, dürft ihr zu einer solchen Zeit nicht länger als drei bis vier nichts essen, da dies den Körper schwächt. Ihr solltet eine leichte, ausgewogene, festgelegte Diät einhalten. Geht nicht in Extreme. Ebenso esst auch nicht vor dem Schlafengehen, weil ihr sonst am frühen Morgen nicht fähig seid, richtig Pranayama auszuführen.

Sukadev

15. Der Yogi geht durch Überessen, harte körperliche Arbeit, zuviel Reden, das Einhalten von unpassenden Gelübden, schlechte Gesellschaft und Unbeständigkeit zugrunde.

Was jetzt jeder Einzelne darunter verstehen will, das muss jedem Einzelnen überlassen sein.

Das heißt nicht, dass man deshalb stirbt. Aber die Yogaschwingung des Yogis, dann ist man nämlich kein Yogi mehr. Das gilt natürlich in besonderem Maße, wenn man intensiv praktiziert. Aber diese Verse über die Grundlagen, im Grunde genommen auch die nächsten Verse gehen alle über die Yamas und Niyamas. Da sind erst mal zwei Vorverse, und dann ein Vers über die Yamas und dann eine Vers über die Niyamas. Gut, also all das gilt es zu vermeiden. Natürlich, das erste ist Überessen.

– Es gilt zu vermeiden zu Überessen.

Wenn man zuviel isst, dann ist es schwierig, anschließend den Geist zu erheben, Skorpion zu machen und Pfau zu machen und solche Sachen, aber über den Essensaspekt will ich jetzt nicht zu viel reden. Auch wenn er immer der faszinierendste ist. Die klassische Menge der Speise ist, den Magen halb mit fester Nahrung zu füllen, ein Viertel mit flüssiger Nahrung zu füllen und ein Viertel zur Verehrung von Shiva freizulassen. Also, der Swami Sivananda schreibt, es wäre immer gut, ein klein wenig hungrig zu sein. Kleiner Hunger ist auch so was wie ein kleines Prana, das man immer hat. Also nicht Überessen.

– Harte körperliche Arbeit

das freut jetzt einige, zumindest einige Mitarbeiter vom Haus, die schon immer gedacht haben, die Kisten zu tragen wäre schwere körperliche Arbeit, also man muss sehen, was harte körperliche Arbeit ist. Harte körperliche Arbeit. Wobei ihr wissen müsst, was im alten Indien als harte körperliche Arbeit bezeichnet wird, das ist was anderes, als was Menschen heute als harte körperliche Arbeit bezeichnen. Also wenn ihr mal einen Schrank von hier nach dort transportiert, oder einen großen Kochtopf ein bisschen umrührt, das ist nicht harte körperliche Arbeit. Aber wenn ihr von morgens bis abends auf dem Feld arbeitet, und zwar nicht mit Maschinen, sondern von acht Uhr morgens bis zwanzig Uhr abends dort schwer die Erde umwühlt, vielleicht mit einer Schaufel, noch dazu mit einer Holzschaufel, das ist dann schwer, die Energie zu finden, spirituell zu praktizieren und Pranayama oder Asanas zu machen. Also zu harte körperliche Arbeit, dass man dann nur noch kaputt und geschafft nach Hause kommt, das ist jetzt nicht so geeignet.

Es gilt jetzt im besonderen Maße, wenn man die Pranayamapraxis intensivieren will, dass man dann nicht zu viel macht, was zu intensiv auch körperlich ist. Also angenommen, ihr wollt jetzt mal eine intensive Pranayamapraxis machen, so zwei bis sechs Stunden am Tag, dann würdet ihr auch keinen Hochleistungssport parallel machen, dann würdet ihr auch nicht in die Sauna gehen, obgleich die sonst sehr positiv ist, man würde auch eiskalte Duschen vermeiden, obgleich ihr wisst, dass ich normalerweise Wechselbäder empfehle gegen Kreislaufbeschwerden, schlechte Durchblutung, Erkältung usw. Aber wenn man intensiv praktiziert, dann will man den Körper nicht noch zusätzlich schockieren. Genauso, wenn man intensiv Pranayama übt, sollte man auch nicht fasten, obgleich Fasten allgemein was Gutes ist. Aber wenn ihr mehr als zwei Stunden am Tag Pranayama macht, dann ist das Fasten nicht angebracht, es sei denn ihr habt das schon länger gemacht und kennt euren Körper ausreichend gut.

– Zu viel reden

natürlich auch. Manche Menschen reden wie ein Wasserfall. Der Swami Sivananda hat mal auch lustig gesagt: „Manche Menschen leiden unter lingual diarrhoea“, das ist so wie Wortdurchfall. Sie hören nicht mehr auf zureden. Und so sollte man öfters auch schweigen. Nicht zuviel reden. Natürlich auch nicht zu wenig reden. Ich glaube, im Koran steht etwas, was auch in der Manu Smriti steht. Manchmal auch interessant, das man die gleichen Dinge an verschiedenen Stellen findet. Dort heißt es: Wenn man was sagen will, sollte man erst überlegen, ob’s korrekt ist. Wenn’s nicht korrekt ist, wenn’s nicht Satya ist, sollte man den Mund halten. Zweite Frage: Entspricht es Ahimsa, Nicht-verletzen? Wenn es Ahimsa nicht entspricht, dann Schweigen. Und als Drittes fragt man: „Ist es notwendig, das zu sagen?“ Und wenn es nicht notwendig ist, dann schweigt man. Wenn man das jetzt wörtlich nähme, dann würde man wahrscheinlich kaum mehr sprechen. Also, nicht zu viel reden. Das gilt natürlich mehr für Menschen, die eine Neigung haben, viel zu reden. Menschen, die eher schüchtern sind, könnten lernen, mutiger zu sein.

– Das Einhalten von unpassenden Gelübden.

Z.B. kann man sagen: „Von heute an werde ich nie mehr ärgerlich werden.“ Was bringt ein solches Gelübde? Nur ein schlechtes Gewissen. Es gibt eine Geschichte von jemandem, der hat jahrelang sich damit beschäftigt, seinen Geist zur Ruhe zu bringen. Und eines Tages dachte er, jetzt habe ich meinen Ärger bezwungen. Und er schrieb an seine Hütte oben drauf: Ich habe den Ärger bezwungen. Und freudestrahlend ging er raus und hielt Vorträge darüber, über die Überwindung des Ärgers. Und dann kamen Leute zu ihm und der eine sagte: „Oh Großer, wie hast du deinen Ärger bezwungen?“ „Ja, ich habe alles Gott anvertraut, ich habe zu Gott gebetet, und durch die Gnade Gottes bin ich ohne Ärger geworden.“ Da kam der nächste und sagte: „Hast du wirklich deinen Ärger bezwungen? Das kann ich gar nicht glauben.“ „Ja, hab ich.“ „Was hast denn du noch gemacht?“ „Ich hab meditiert und jeden Tag zwanzig Minuten gesagt: „Ich bin geduldig, OM, OM, OM.“ Da kam der Nächste und sagte: „War das wirklich alles? Und du hast den Ärger wirklich bezwungen?“ Und so kamen ständig Leute und fragten: „Hast du den Ärger bezwungen?“ Und schließlich, nach dem Hundertsten: „WIE OFT SOLL ICH EUCH DENN NOCH SAGEN, DASS ICH DEN ÄRGER BEZWUNGEN HAB!“ Also, bestimmte Gelübde sind nicht passend. Oder ihr macht das Gelübde: Ich werde jetzt dreimal am Tag sechs Stunden hintereinander meditieren.

Auf Sanskrit steht dort Vrata. Und Vrata ist so ein Vorsatz. Und eben einen nicht passenden Vorsatz zu fassen hilft nicht. Es ist schon gut, einen Vorsatz zu fassen. Das gehört zu den Niyamas im Hatha Yoga, aber ein unpassender Vorsatz ist nicht gut. Es gibt natürlich auch in der andern Richtung unpassende Gelübde. Z.B. lege ich jetzt das Gelübde ab: Ich werde in diesem Jahr keine Zigarette rauchen. Wäre das sinnvoll? Noch nie habe ich auch nur eine Zigarette an meinen Lippen gehabt, die angezündete war. Es macht jetzt keinen Sinn, dass ich ein solches Gelübde ablege. Wenn ich jetzt ein solches Gelübde ablege: Ich werde jetzt zwei Monate lang keine Süßigkeiten essen. Würde ich auch hinkriegen, ich hab so was schön öfters gemacht, das wär eine sinnvolle Vrata. Aber es wäre jetzt auch nicht sinnvoll, wenn ich sagen würde: „Von heute an esse ich gar nichts mehr.“ Oder ich sage: „Von heute an meditiere ich sechs Stunden am Stück.“ Im besten Fall kriege ich ein schlechtes Gewissen, im schlimmsten Fall halte ich’s durch und breche mir alle Knie.

Das führt nur dazu, dass ihr die Lust verliert. Man muss in dem Maße üben, wie es einem selbst entspricht. So sollte man passende Vorsätze fassen. Es ist durchaus gut, sich Vorsätze zu fassen. Der Swami Vishnu hat uns gerne gefragt: Wisst ihr, warum man Vorsätze fasst? Um sie zu brechen. Warum? Vorsätze zu fassen für etwas, was einem leicht fällt, macht keinen Sinn. Ich habs noch nie geschafft, mehr als zwei Schlucke Wein über die Lippen zu bringen, da wurd mir immer übel. Was mir in der Schulzeit immer ein böses Auslachen der anderen gebracht hat, aber es ging einfach nicht. Von daher besteht hier keine Rückfallgefahr. Also wenn man sich einen Vorsatz fasst, dann sollte das was sein, was realistisch zu machen ist, aber was doch auch nicht ganz so leicht fällt. Und der Swami Vishnu hat noch gesagt, wenn man sich einen Vorsatz fasst, dann sollte man gleich eine Konsequenz einbauen, falls man sich nicht an den Vorsatz hält. Ihr kennt das vielleicht von eurer Kindheit noch. Gute Eltern haben gesagt: „Das darfst du nicht machen, und wenn du später nach Hause kommst, dann . . .“ – fruchtete nichts, dann sind sie nicht konsequent gewesen – dann kann man zB. sagen: „Am nächsten Morgen gibt’s kein Frühstück.“ Gut, da könnt ihr euch was Passendes einfallen lassen. Gut, dann

– durch schlechte Gesellschaft.

Was ist schlechte Gesellschaft? Müsst ihr selbst entscheiden. Im engsten Sinne ist schlechte Gesellschaft, wenn ihr in der Umgebung seid von Mafiosi, die alle drogensüchtig sind und jeden Tag jemand anders umbringen. Das ist sehr schlechte Gesellschaft, und diese Gesellschaft ist nicht so sehr geeignet, um Yoga zu praktizieren. Nur ob wir in schlechter Gesellschaft noch lange Yogis sein werden, ist eine andere Frage. Es hängt jetzt von der eigenen Stärke ab. Und genau so auch – vorher wurde von zu viel reden gesprochen. Es nutzt auch nichts, zu viel mit so Leuten zu diskutieren. Oft machen die einem dann mehr Zweifel, als dass man sich inspirieren lässt. Man muss schauen, wem kann man was sagen und mit wem kann man über was sprechen. Wir brauchen nicht der Mülleimer von anderen Menschen zu sein, wir brauchen nicht der – Swami Sivananda hat gesagt, mental gymnastics machen, geistige Gymnastiken mit ständiger Diskussion, überhitzten Diskussionen, ist alles überflüssig. Anderen helfen zu wollen, anderen dienen zu wollen, gut, und damit seinen ständigen Broterwerb zu tätigen, das ist alles gut.

Der Aristoteles hat gesagt: wir sind ein zoon politicon econ. Der Mensch ist ein zoon politicon, das heißt ein geselliges Wesen. Viele Menschen würden sich als unpolitisch bezeichnen, aber das ist nur unvollständig. Politik ist das, was die Geselligkeit des Menschen regelt. Also wir sind ein geselliges Wesen. Und econ hat er such gesagt: vernunftbegabt. Nicht ein vernünftiges, wohlgemerkt. Die Biologen haben uns zwar als homo sapiens sapiens bezeichnet, das heißt, der doppelt kluge Mensch. Aber wenn wir uns die Menschen angucken, so doppelt klug sind sie nicht. Aber wir sind vernunftbegabt. Wir könnten die Vernunft einsetzen, wenn wir wollten. Man kann sich das so überlegen: Man kann die Vernunft einsetzen, es ist möglich. Zu Unrecht wird in spirituellen Kreisen die Vernunft manchmal etwas abgewertet. Und es wird manchmal behauptet, in unserer Gesellschaft würde die Vernunft entwickelt und die Emotion nicht. Meine Behauptung ist: Weder die Vernunft noch das Herz wird entwickelt. Wenn man sich die Welt anschaut, was dort gemacht wird, ist das vernünftig? Wenn man sich eine Speisekarte anguckt, ist das vernünftig? Wenn wir uns angucken, wie Menschen ihr Leben verbringen, ist das vernünftig? Aber wir sind vernunftbegabt. Ich kann euch mal erzählen, ich habe mal auf einem ganz anderen Gebiet so ein Schlüsselerlebnis gehabt. Ich hatte unglücklicherweise keinen Vater, der wie Väter es normalerweise machen, mir beigebracht hätte, wie man mit Hämmern und Schraubenziehern usw. umgeht. Die Mutter hat uns beigebracht, wie man mit Staubsauger und Klobürste umgeht. Man Vater hat zwar mit uns Fußball gespielt, aber Handwerker war er nicht. Und so hab ich lange die Schwierigkeit gehabt, wenn irgendwo in einem Yogazentrum was zu tun war, war ich reichlich hilflos. Und das ist etwas schwierig. Ich hab festgestellt, Frauen haben es da manchmal leichter. Wenn die hilflos wirken, dann finden die manchmal Männer, die für sie im Haus etwas richten. Ich hatte dort große Schwierigkeiten gehabt, jemand zu finden. Und dann hat mir mal jemand was ganz Banales gesagt. Er hat mir ne Aufgabe gegeben. Da hab ich gesagt: Ich kann das nicht. Ich bin kein Handwerker. Da hat er gesagt: Du musst nur deine Logik verwenden. Und dann geht das schon. Das war so ein Schlüsselerlebnis. Ich hab gedacht, alles ist logisch. Und tatsächlich, anschließend konnt’ ich Einiges reparieren, mehr oder weniger gut. Es ist mir dann sogar gelungen, im Frankfurter Zentrum einige Lampen einzubauen, weil ich mir überlegt habe, wie es logisch ist. Da habe ich heroische Heldentaten gekonnt. Das kann man auf vielen Ebenen anwenden, diese Logik. Zu viele Menschen machen sich zu schnell eine Blockade im Kopf, denken, das kann ich nicht, das geht nicht, aber Vieles geht, in dem man einfach seine Vernunft einsetzt. Gut, aber ich wollte eigentlich von der schlechten Gesellschaft sprechen. Zoon politicon – wir sind ein geselliges Wesen. Das, was die Menschen denken, mit denen wir zu tun haben, davon werden wir ohne Zweifel beeinflusst. Das ist ganz einfach. Daher ist es so wichtig, was wir jetzt im Moment tun, nämlich Satsang.

Man braucht natürlich auch was für seine Emotionen, aber um so wichtiger ist es, öfters mal in eine spirituelle Gemeinschaft zu kommen, Satsangha zu pflegen. Im engeren Sinne ist das Meditationen, Mantras singen und Vortrag. Im weiteren Sinne heißt Sangha Zusammenkunft mit Sat, mit Menschen, die nach der Wahrheit streben. Und dann wird dieser Teil in uns stärker. Und wenn wir mit Menschen zusammen sind, die andere Ideale haben, dann wird dieser Teil stärker. Jetzt können wir in unserer Gesellschaft nicht gänzlich die Gegenwart von Menschen meiden, die nicht spirituell sind, noch wäre das übermäßig ratsam. Aber es ist durchaus eine Hilfe auf dem Weg. Und das ist gut, das öfters zu pflegen.

Die Kinder werden sehr stark davon beeinflusst, mit wem sie in die Schule gehen. Ich habe es in fast allen Yogafamilien festgestellt: Die Kinder, die sehr yogisch großgezogen werden, leben dann vegetarisch, spielen Harmonium, singen Jaya Ganesha, machen wunderbare Asanas, die sehen ganz glücklich und zufrieden aus. Wenn die zwölf, dreizehn sind, dann wollen die mit Yoga nichts mehr zu tun haben. Dann wollen die machen, was die anderen auch machen. Gut, und da typischerweise Yogaeltern tolerante Eltern sind, verbieten die das auch nicht, und mit einem Seufzen unterstützen sie dann die Kinder in dem, was sie machen. Wenn man yogische Kinder yogisch großziehen will, brauchen sie auch andere yogische Kinder, das ist ganz banal und ganz einfach.

– und durch Unbeständigkeit.

Unbeständigkeit heißt? Heute machen, morgen nicht machen. Manche Menschen üben ein Jahr, und dann ein Jahr nicht. Und dann machen sie ein paar Monate ganz viel, und dann ein paar Wochen nichts. Auf Englisch heißt das: rolling stone gathers no mose. Wie sagt man auf Deutsch? Rollender Stein sammelt kein Moos, das klingt nicht übermäßig gut. Ist aber logisch, oder? Auch Moos im übertragenen Sinne. Also, wir müssen beständig sein. Jetzt dürfen wir das mit der Beständigkeit auch nicht missverstehen. Das heißt nicht, dass wir für den Rest des Lebens jeden Tag das Gleiche machen. Ich halte das für eine gewisse Falle. In unserer modernen Gesellschaft ist es wahrscheinlich keine Falle, die realistisch ist. Wer hat solch ein Leben, dass er über Jahre hinweg das Gleiche machen könnte. Aber es wäre auch nicht gut, weil’s dann zur Gewohnheit wird. Es ist gut, eine Grundpraxis zu haben, einen Minimalpraxis, die man jeden Tag macht bis zur Selbstverwirklichung. Und auf dieser Grundpraxis aufgebaut gibt es Phasen, wo man mehr übt, und Phasen, wo man weniger übt. Da gibt’s son Wochenende für die meisten so wie jetzt, wo man mehr übt, und dann wieder ein paar Wochen, wo man weniger übt.

Es ist schon gut, wenn es Phasen gibt, wo ihr intensiver übt. Nur sollte man auch nicht die Praxis gänzlich lassen. Es sollte immer so eine Grundpraxis geben, die man täglich macht. Patanjali sagt es auch so: Eine Praxis sollte sein Dirgakala, Nairantarya und Sakshatkara Dirgakala – über eine lange Zeit. Nairantarya – ohne Unterbrechung, und Sakshatkara – mit aufrichtiger Hingabe und Enthusiasmus. So kann man praktizieren. Dann gibt es beständigen Fortschritt. Ein großes Hindernis bei all dem ist die Alles-oder-Nichts-Philosophie. Ich werde nicht müde, das immer wieder zu erwähnen. Manche Mitarbeiter sagen: „Jetzt fängt er schon wieder an.“ Manche Menschen sagen: „Entweder, ich habe eine Stunde Zeit für die Asanas, oder ich mache gar nichts.“ So eine Analogie: Meine Mutter hat immer gesagt: „Entweder richtig oder gar nicht.“ Was in diesem Universum kann man richtig machen? Ich habe noch nichts entdeckt. Jede Asana könnte man besser machen, jede Meditation könnte besser sein, dann wäre man nämlich selbstverwirklicht. Jedesmal, wenn man mit Menschen spricht, könnte man noch herzlicher, noch liebevoller, noch strikter und gleichzeitig liebevoller sein – es geht immer etwas besser. Vielleicht war es in der früheren Zeit mal möglich, das Optimale zu machen.

Ich muss gerade eine Geschichte erinnern. Eine Geschichte von einem Ingenieur. Der ging mal in ein Dorf, um da ein paar Wochen zu arbeiten, Elektrizität aufzubauen. Und in der Zeit ging er auch zu einem Dorfschneider und bat ihn, ihm einen Anzug zu machen. Nach einem Monat wollte der Ingenieur nach Hause gehen und den Anzug abholen. Der Schneider sagte: „Der Anzug ist noch nicht fertig.“ Zwo Monate später kam der Ingenieur wieder, und der Schneider sagte: „Noch nicht fertig.“ Ein Jahr später kam der Ingenieur wieder, und er hatte den Anzug schon vergessen, da kam der Schneider und hat ihm den Anzug gebracht. Da sagte der Ingenieur: „So lange hast du gebraucht. Gott hat die Welt in sechs Tagen geschaffen.“ Da lächelte der Schneider, liebevoll strich er um den Anzug und sagte: „Schaut euch den Zustand dieses Anzugs an, und schaut euch den Zustand der Welt an.“

Auf einer anderen Ebene ist die Welt aber vollkommen. Es gibt dafür so einen Beweis, den hat Leibniz mal gebracht. Der hat gesagt: „Damit eine solch große Welt überhaupt in die Existenz kommen konnte, dazu bedarf es eines Demiurgen, eines Schöpfers, der so wahnsinnig intelligent ist. Und wenn der so wahnsinnig intelligent ist, dann wird er auch die bestmögliche aller Welten schaffen. Also leben wir in der bestmöglichen aller Welten.“ Der Kant hat zwar nachher gesagt, dass das ein Zirkelschluss sei, aber das sei an einer anderen Stelle besprochen. Aber da wir nicht mehr in der Zeit sind von diesen alten Schneidern, die vielleicht ausreichend Zeit hatten, auch zufrieden waren mit dem kleinen Häuschen ohne Heizung, ohne Fenster, mit zehn Kindern und der Frau, alle in einem Bett klassischerweise, ist es allgemein im Leben nicht mehr möglich, irgendetwas Vollkommenes zu machen, wenigstens wenig kann man nur noch fast vollkommen machen – die Yogapraxis auch nicht. Und so sollte man seine Minimumpraxis jeden Tag machen und ansonsten tun, was man kann. Und nicht vergessen, ab und zu mal zu intensivieren.

Es gibt übrigens zwei gute Zeitpunkte, um die Praxis zu intensivieren. Zum Einen, wenn man große Lust drauf hat. Und zum Zweiten, wenn man überhaupt keine Lust drauf hat. Wenn die Praxis überhaupt nicht mehr inspiriert ist, dann braucht man so einen Kickstart. Also einen Tritt in den Hintern kann man auch sagen. Und wenn man’s allein nicht schafft, was macht man dann? Man kommt ins Haus Yoga Vidya und fasst den festen Entschluss, man haut nicht ab. Auch deshalb, auch typischerweise, wenn man keine Lust hat, dann hat man’s ja vorher schleifen lassen oder mechanisch gemacht. Und wenn man dann in eine spirituelle Umgebung kommt, kommen alle möglichen Unreinheiten heraus, und nach einem Tag hat man nur einen großen Wunsch, nämlich: Weg! Es nervt einen alles. Ich kann mich erinnern, ich habe in einem Yogazentrum gewohnt, aber ich war noch Student an der Uni, und hatte gerade meine Diplomarbeit geschrieben. Und dadurch hatte ich die Yogapraxis auf mein Minimum, reduziert. Was durchaus eine regelmäßige Praxis war, aber nicht mehr so wie vorher mehrere Stunden. Nun hat mir die Zentrumsleiterin geraten, ich solle mir vorher einen Flug buchen in den Ashram, und zwar einen nicht zurückgebbaren Flug. Ich war damals ein gehorsamer Schüler, habe die Vorschläge angenommen und habe das also auch gemacht. Und als ich das Ende der Diplomarbeit erreicht hatte – es war sogar eine Diplomarbeit mit einem yogischen Thema: Determinanten der Arbeitsmotivation in indischer und westlicher Psychologie – da habe ich also alle möglicher Rajayogabücher gelesen dafür. Aber Lesen ist eine, Praktizieren ist eine andere Sache. Und so war ich doch etwas mit meinem Geist in einer anderen Welt, in der akademischen Welt gewesen, und ich hab gedacht, ich brauch jetzt Ruhe, nicht in diesen Ashram, noch dazu hab ich mich dort als Mithelfer gemeldet. Und wenn ihr denkt, dass das hier Chaos ist, dann wart ihr noch nicht in dem Ashram gewesen. Das hat damit angefangen, als ich ankam, wusste keiner, dass ich kommen würde. Es war zwar vom Zentrum her angesagt, und geschrieben, die Zentrumsleiterin hat sogar noch telefoniert. Und da hab ich die erste Nacht oben an der Rezeption verbracht, und die zehn Tage da hab ich jede Nacht woanders geschlafen. In zehn Tagen hab ich 14 verschiedene Betten gehabt, wo ich meinen Schlafsack reingesteckt habe, es war also schon schlimm genug, Und dann kam dazu, ich wollte ja zum Swami Vishnu, der hatte eine Erkältung gehabt und war drei Tage lang nicht da. Und, fand ich, der dort die Vorträge gegeben hat, da brauchte ich auch nicht hin. Gut, jedenfalls nach einem Tag wollte ich sowieso abreisen, aber ich blieb, und nach sechs Tagen gings mir richtig gut. Wenn ich vorher abgereist wäre, hätt ich den Dreh vielleicht nicht gekriegt. Aber nach zehn Tagen, trotz 14 Mal umziehen, nach fünf Tagen hatte ich mich dran gewöhnt, habe ich nur noch lachen müssen. Wenn dann der Rudra mir gesagt hat: „Sukadev, I think you have to move again“, dann wurd’s schon lustig. Und ich hab geemerkt, all das waren die Aufgaben, die im Ashram zu machen waren. Es war so gut, wie es war, es war genau richtig, es war das, was ich lernen musste, und ich hatte dann die letzten Tage mehr Zeit gefunden zu meditieren. Also eine gewisse Beständigkeit ist notwendig, und dann ab und zu mal intensivieren. So, jetzt hat er gesagt, wodurch wir zugrunde gehen. Er sagt uns aber auch noch, wodurch wir Fortschritte erzielen.

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1. Kapitel, Vers 16

Deutsche Übersetzung:

Ernsthaftigkeit, Furchtlosigkeit, Beharrlichkeit, Wahrhaftigkeit, Wissen und Vertrauen; | Beenden von oberflächlicher Geselligkeit, durch diese sechs (Tugenden) wird das Yoga erreicht.

Sanskrit Text:

  • utsāhāt sāhasād dhairyāt tattva-jñānāc ca niścayāt |
    jana-saṅga-parityāgāt ṣaḍbhir yogaḥ prasidhyati ||16||
  • उत्साहात्साहसाद्धैर्यात् तत्त्वज्ञानाच्च निश्चयात् ।
    जनसङ्गपरित्यागात् षड्भिर्योगः प्रसिध्यति ॥१६॥
  • utsahat sahasad dhairyat tattva jnanach cha nishchayat |
    jana sanga parityagat shadbhir yogah prasidhyati ||16||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • utsāhāt : durch festen Willen, Entschlusskraft (Utsaha)
  • sāhasāt : durch Mut (Sahasa)
  • dhairyāt : durch Ausdauer, ruhiges Wesen (Dhairya)
  • tattva : (der) Wahrheit (des „Soseins“, Tattva)
  • jñānāt : durch die Erkenntnis (Jnana)
  • ca : und (Cha)
  • niścayāt : durch sicheres Wissen, genaue Kentniss, Überzeugung, Vertrauen (in die Lehren des Meisters, Nishchaya)
  • jana : (mit) Mensch(en, Jana)
  • saṅga : (unförderlicher) Gemeinschaft (Sanga)
  • parityāgāt : durch Aufgeben (Parityaga)
  • ṣaḍbhiḥ : durch (diese) sechs (Shash)
  • yogaḥ : (der) Yoga
  • prasidhyati : führt zum Erfolg, gelingt (pra + sidh)    ||16||

Kommentare – Audio – Video

Brahmananda

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Vishnu-devananda

16. Der Yogi erzielt Fortschritte durch Frohsinn, Ausdauer, Mut, wahres Wissen, starken Glauben an die Worte des Gurus und durch das Aufgeben schlechter Gesellschaft.

„Wahres Wissen“ ist das Wissen, dass ihr das Selbst seid (nicht der Körper), zumindest in der Theorie.

Sukadev

16. Der Yogi erzielt Fortschritte durch Frohsinn, Ausdauer, Mut, wahres Wissen, starken Glauben an die Worte des Gurus und durch das Aufgeben schlechter Gesellschaft.

Also erstens Frohsinn. Was braucht man, um froh zu sein? Wenig. [Singt: Froh zu sein bedarf es wenig, und wer froh ist, ist ein König.] Ist ein Yogi. Das reimt sich nur nicht so ganz. Aber Raja heißt ja auch König. Also können wir ruhig König sagen, die Übersetzung von Raja. Frohsinn. Freude muss gar nicht so abhängen von äußeren Umständen. Man kann sich einfach freuen. Ich kannte mal so eine Mitarbeiterin, die kam einfach so auf uns zu und hat dann gesagt: Freude. Ich kann mich noch erinnern, das erste Mal hab ich sie so angeguckt – durchgeknallt? Wisst ihr, man erlebt in Yogazentren so Einiges. Aber die hat dabei einen vernünftigen Eindruck gemacht. Und dann hab ich sie gefragt: „Was meinst du?“ Und sie hat gesagt: „Nichts. Einfach Freude.“ Und es war für mich ein schönes Erlebnis. Mit diesem einen Wort war sie plötzlich wirklich freudevoll, und das war ansteckend. Ich habe niemals den Mut gehabt, es selbst auszuprobieren. Vielleicht sollte ich das mal machen. Wenn ich da Yogaschüler in einer Ecke diskutieren sehe, gehe ich hin und sage einfach: Freude! Oder ich höre gerade Mitarbeiter miteinander diskutieren, wie man was macht und offensichtlich haben sie eine Meinungsverschiedenheit, einfach ‚Freude’ zu sagen. Also sie konnte das gut, das war richtig ansteckend. Für mich habe ich da eine Lektion gelernt. Um froh zu sein bedarf es wenig, und wer froh ist, ist ein König. Wir sind Freude. Unserer wahre Natur ist Ananda. Und manchmal können wir einfach sagen: „Jetzt langts. Stopp mit all den Gedanken. Jetzt gehe ich nach innen und spüre einfach Freude.“ Es ist paradox. Viele Menschen unterliegen einem Irrtum. Viele Menschen denken, um Freude zu haben, müsste es einen Grund geben. Ansonsten wäre es unauthentisch und aufgesetzt, freudevoll zu sein. Es gibt keinen Grund, unglücklich zu sein. Das steckt tief drin in vielen Menschen. Wenn man freudevoll ist ohne Anlass, dann denkt man, irgendwas ist falsch. Und ich glaube, die Deutschen sind besondere Anhänger dieser falschen Theorie. Das müssen wir uns bewusst machen. Das stimmt gar nicht. Wir müssen bloß aufhören, uns traurige Gedanken zu machen, dann kommt die innere Natur zum Vorschein, dann ist Ananda, die Freude, da.

Wir denken oft, um froh zu sein, braucht’s einen Grund. Und wenn wir keinen haben, müssen wir traurig sein. Dabei sollte es umgekehrt sein. Natürlich gibt es Gründe, traurig zu sein. Angenommen, ein Kind ist gerade beim Autounfall gestorben. Da wär’s jetzt nicht angebracht, froh zu sein. Aber angenommen, es läuft jetzt nichts Besonderes. Bei der Arbeit ist der gewöhnliche Stress. Mit den Kindern sind die gewöhnlichen schönen und weniger schönen Sachen. Das Haus ist wie üblich unaufgeräumt, und da sollte man froh sein. Wenn das Dach eingestürzt ist, und der Fluss durch’s Wohnzimmer durchfließt, dann hat man, wenn man nicht versichert ist, wenn man nicht in einem Land lebt, wo man nachher einiges an Geld zurückkriegt, dann hat man Grund, traurig zu sein. Kann man sich öfters vergegenwärtigen. Freude, so wie die Narayani gesprochen hat: Freude, Freude, Freude, immer neue Freude. Weil die Deutschen es immer komisch finden, wenn man was in ihrer Muttersprache was singt. Es klingt viel schöner: Joy, Joy, Joy, Joy, ever new Joy. Man kann ja auch ‚Joy’ sagen. Also ihr könnt ‚Joi’ [franz.] sagen, ihr könnt ‚Freude’ sagen, ihr könnt ‚Joy’ sagen, ihr könnt Ananda sagen. Aber es braucht nicht viel für Freude.

Es gibt ja inzwischen sogenannte Lachseminare. Ursprünglich gab’s in Indien eine Lachbewegung, die hat tatsächlich in Indien angefangen. Der Swami Sivananda war ein Mitinitiator dieser Bewegung. Als er in den zwanziger Jahren nach Rishikesh gekommen ist, dort war diese Mönchskolonie von all diesen Sadhus, die alle ernsthafte Praktiken gemacht haben, um die ernsthafte Selbstverwirklichung zu erreichen. Und dann fand er die viel zu ernst. Und da hat er so ein paar Swamis dafür gewonnen und gesagt: „Wir nehmen uns jeden Tag eine viertel Stunde, da lachen wir zusammen. Und da haben sie oder der Swami Sivananda Lachwettbewerbe veranstaltet. Ich weiß jetzt nicht, ob das wirklich von Swami Sivananda kam, oder ob das noch eine ältere Tradition ist und der Swami Sivananda hat war damit in Berührung gekommen. Ich habe das mehrmals gelesen, dass der Swami Sivananda das in den zwanziger Jahren gemacht hatte. Und sie haben das ganz systematisch gemacht, verschiedene Stufen des Lachens usw. Die Inder sind dann sehr systematisch dabei. Aber das braucht’s letztlich. Es gibt auch solche Fotos, so ein paar altehrwürdige Swamis mit langen Bärten sitzen da und lachen wie die kleinen Kinder.

Also heute ist das Lachen ne große Bewegung geworden in Indien. Es gibt ganze Parks, auch nach China ist das inzwischen gegangen, ganze Parks, wo es Ecken gibt, wo Menschen sich vor der Arbeit treffen, um erstmal eine viertel Stunde zu lachen. Und das ist zur Lachbewegung geworden. Und in Deutschland gibt’s dann natürlich Lachseminare, und da gibt’s inzwischen Lachübungen dafür. Statt Schweigetag – so ein Lachtag ist schon lange notwendig.

Manchmal werden spirituelle Menschen zu ernst. Man will die Selbstverwirklichung erreichen, man stellt fest, alle diese Hindernisse die da sind, schlechte Gesellschaft, Überessen, harte körperliche Arbeit, zu viel reden, falsche Gelübde, Unbeständigkeit, lügen, stehlen, jemanden verletzen, da kann man manchmal zu ernst werden.

Und ein von mir geschätzter Yogi hat auch mal gesagt: „Das Leben ist zu ernst, um zu ernst genommen zu werden.“ „Life is too serious to be taken too seriousely.“ Und einige kennen es, als wir im November in Rishikesh waren in dem SivanandaAshram dort, da gab’s dann so einen, der war der Leiter der Küche, in der sie jeden Tag für 500 bis 2000 Leute gekocht haben, und der war immer so fröhlich und hat so viel Ruhe ausgestrahlt. Und da habe ich ihn schließlich mal gefragt: Bei uns in der Küche gibt’s immer so was, die Lieferanten liefern nicht richtig, und die Karma-Yogis sagen kurzfristig ab, jeder Gast hat einen anderen Geschmack und will was anderes haben, und er würde immer son ruhigen Eindruck machen, ob er denn nicht auch Probleme hätte. Und er sagte: Problems, just problems. From morning to night just problems. Dann hab ich ihn gefragt, wie er denn so glücklich sein kann. Und da hat er gesagt: Well, I had two possibilities: Either I go crazy, or I smile. Entweder werde ich verrückt oder ich lächle. Und es war offensichtlich, für was er sich entschieden hatte. Ich kannte auch nen anderen Ashramleiter, leider sind jetzt meine Beispiele aus dem täglichen Leben aus Ashrams, aber das kann man auf überall im Leben übertragen. Das war son Ashramleiterin einem Ashram in Kanada, da haben wir es hier unserem Ashram glücklicherweise so, dass wir über das ganze Jahr verteilt Gäste haben. Das war bei mir am Anfang so eine Sorge, dass wir im Sommer so viele Gäste haben, und im Winter so wenige, und ich kannte das große Problem dieser Saison-Ashrams. In Kanada waren im Sommer 300-500 Leute da, und im Winter waren in der Woche durchschnittlich Null Gäste und am Wochenende waren ein bis drei Gäste. Und die Mitarbeiter, die da waren, das war so eine crew von fünf bis sieben, die sind dann von Oktober bis Mai in den Winterschlaf gekommen, und das waren natürlich Mitarbeiter, die es gern hatten, wenn es so ruhig war und nichts los war. Und dann kam dieser Schwung von Leuten, und dann kamen aus allen Zentren Mitarbeiter, so dreißig, vierzig, fünfzig Leute, die natürlich von Tuten und Blasen keine Ahnung hatten, die sehr willig waren, aber keiner irgendwas wusste, und die Ashrammitarbeiter haben sich dann natürlich bemüht, sich so schnell wie möglich in die Mauselöcher zu verkriechen, denn sie wollten all den Trubel nicht haben. Die sind dann auch in Zelte umgezogen, wo man sie nicht erreichen konnte, möglichst ganz oben auf dem Hügel hinter einem See. Und der Ashramleiter kam dann, der war noch dazu der Sommerashramleiter. Im Winter ist er auf die Bahamas, das klingt sehr schön, aber der kam dort hin und musste dann in einer Woche den Ashram aufmachen. Und das mit all diesen Mitarbeiten. Und der Ashram hatte so ein Kollektivkarma gehabt, und das war, dass jede Woche irgendwas mit Wasser nicht funktioniert hat. Entweder es ist ein Abflussrohr geplatzt, oder, immer irgendwas, entweder gab’s kein Wasser oder eine Überschwemmung. Und das war entweder leichter, und man konnte das schnell machen. Der Vasudeva sagt, hier seien die Anlagen chaotisch installiert worden, aber dort – kein Vergleich. Also alles Mögliche war dort. Und irgendwann war ich dabei und ich habe gesehen, wie der jeden Tag mehr gelacht hat, dieser Ashramleiter. Und dann hat noch jemand gesagt: “Swami, the electricity doesn’t work any more.” Und er sagte: „Did you check this, and this,” und er sagte: “I did check everything, I have no clue.” Die Elektrizität funktioniert nicht, und ich weiß nicht, was es ist. Und dann fing er an; richtig schallend zu lachen. Das hat er so gemacht, und ich wusste was er meinte. Und es hat jedes Mal geklappt, denAshram pünktlich fertig zu kriegen. Es ist zwar alles schief gegangen, was schief gehen konnte, und . . . man muss einfach lachen. Und ich hoffe, dass das nicht nur im Ashram, sondern überall anwendbar ist – Frohsinn, ein sehr wichtiger Aspekt.

Gut, also Frohsinn kultivieren. Der Franziskus hat auch gesagt, dass Traurigkeit das erste Tor zur Hölle ist. Wenn wir nämlich traurig werden, dann fangen wir an, Zweifel zu haben, dann fangen wir an, Selbstmitleid zu haben, dann sind wir Opfer, und dann müssen wir uns trösten. Dann brauchen wir eine Tafel Schokolade, oder mindestens müssen wir länger schlafen und wir zweifeln an allem, und dann haben wir ein schlechtes Gewissen. Gut, also Frohsinn entwickeln. Es gibt einige Bücher von Swami Sivananda, wo dann so seitenweise drinsteht, how to get gloomy over thoughts. Wie man über – gloomy, wie kann man das übersetzen? Trübe ist ein schönes Wort. Klingt auch so, gloomy, trübe – wie man über trübsinnige Gedanken hinwegkommt. Dann

– Ausdauer

ist auch noch wichtig.

– Mut.

Warum braucht man Mut? Verschiedenen Mut. Gut, mutig sein, um Freude zu verbreiten und mal zu lachen, mutig sein, um mal ausgelacht zu werden, notfalls, ist ja auch nicht so schlimm. Und Mut auf dem spirituellen Weg. Es ist ja mutig, die Selbstverwirklichung erreichen zu wollen. Gibt’s etwas, das mutiger ist, als das? Die großartigste Geschichte von der Welt. Wir wollen ein Heiliger werden. Da dreht einem sich sofort der Magen um, weil man so wunderbar bescheiden geworden ist. Und dann sehen wir all die Hindernisse, die da sind und all die Schwierigkeiten und Problemchen, und die Emotionen, und den Geist und die Gedanken und die innere und die äußere Welt. Und dann brauchen wir Mut, um das anzugehen.

Zum einen muss man sich selbst in die Augen schauen. Alle möglichen negativen Aspekte in uns werden zum Vorschein kommen. Alle Schattenseiten unsere Seele werden rauskommen. Das anzuschauen brauchen wir Mut. Wozu brauchen wir noch Mut? Letztlich durchzuhalten. Denn es ist nicht einfach. Es ist nicht so, das wir dort, ihr wisst’s alle, nach ein paar Wochen, oder paar Monaten Praxis die Selbstverwirklichung erreichen. Wir brauchen Mut, dort voranzuschreiten, durchzuhalten. Wofür noch Mut? Zum eigenen Lebensstil zu stehen, der anders ist, als der von anderen Menschen. Wer von Euch hat in der Mehrheit der Menschen, mit denen er lebt, in deren Umgebung er ist, eine Mehrheit von Menschen, die den spirituellen Weg gehen? Gut, ich müsste mich hier melden. Es sind wenige. Wir brauchen Mut für diesen eigenen Lebensstil. Wir brauchen Mut, Nein zu sagen, wenn einem ein Glas Rotwein angeboten wird. Gut, für mich braucht’s jetzt keinen Mut mehr. Es wäre eine Überwindung von Ekelgefühl, den in die Nähe meiner Nase kommen zu lassen. Aber das ist eine andere Sache. Aber wer es gewohnt war, und das jetzt anders ist, das braucht Mut.

Es gibt ja nicht so viele, die Vegetarier sind und die regelmäßig Asanas und Pranayama machen. Ich hatte ja mal gehofft, dass im Anschluss BSE und der Maul- und Klauenseuche der Vegetarieranteil spürbar ansteigt. Tut er aber nicht. Der Fleischkonsum ist fast wieder gleich wie vor einem Jahr. Die Leute wollen wieder ihr Steak essen. Am Höhepunkt haben 30% der Leute gesagt, dass sie Vegetarier werden wollen. Es ist zwar etwas mehr geworden, aber nicht viel. Dazu bedarf es ja keines Todesmutes, aber der Vorteil ist, dass man bewundert wird, wenn man diesen Mut hat. Die meisten wissen ja, es wäre ja auch gut, wenn sie so wären.

Und dann braucht’s auch Mut, wenn Reinigungserfahrungen kommen. Es braucht Mut, wenn spirituelle Erfahrungen kommen, und es braucht Mut, wenn wir tatsächlich erkennen: Ich bin nicht der Körper, ich bin nicht der Geist. Da braucht man Mut für, denn es kommt erstmal Angst. Dann weiß man erstmal gar nicht, was man wirklich ist, sondern man weiß, was man nicht ist. Und dann hängt man irgendwo dazwischen, dieser Zwischenzustand von absoluter Wonne und Panik. Für all das braucht man Mut. An verschiedenen Stellen in der Bhagavad Gita zählt ja Krishna die verschiedenen Eigenschaften eines Vollkommenen auf, und dort kommt oft Abhaya mit als Erstes, und das heißt Furchtlosigkeit.

– Wahres Wissen –

Gut, das heißt auch, zum Einen, dass wir das Selbst sind, schreibt Swami Vishnu hier im Kommentar. Aber es heißt auch ein bisschen Wissen zu haben über das, was auf dem spirituellen Weg geschieht, dass wir ein Interpretationssystem haben. Z.B. wenn jemand eine Kundalinierweckung hat, und er weiß nichts davon, und er kriegt statt dessen das Interpretationssystem eines Psychiaters, was passiert dann? Er wird unter Psychopharmaka gesetzt. Und dieser wunderbare spirituelle Prozess wird sehr leidhaft. Daher, ein Wissen, was auf dem Weg geschieht, ist etwas Gutes, Wichtiges und Hilfreiches.

– Starken Glauben an die Worte des Gurus.

Was man gelernt hat, dazu braucht man einen gewissen Glauben und Vertrauen. Und auf dem Yogagebiet können wir am meisten dem vertrauen, was von authentischen Meistern geschrieben wurde. Wir können uns Ratschläge geben lassen von allen möglichen Leuten, aber das, was von den Selbstverwirklichten kommt, ist am Zuverlässigsten.

Es gibt so viele Dinge, die sich oft widersprechen, und wenn man jetzt allen möglichen Dingen, versuchen will, was alle sagen, wird’s schwierig. Irgendwie braucht man ein Hauptssystem, zumindest ne ganze Weile. Und da soll man sich auch nicht irre machen lassen. – und durch das Aufgeben schlechter Gesellschaft.

Interessanterweise zählt der Swatmarama zehn Yamas und zehn Niyamas auf, also doppelt so viele, wie Patanjali. Er zählt die auf, die Patanjali sagt, und noch ein paar mehr. Das sind andere, als die zehn Yamas des Raja Yoga. Es bezieht die fünf Yamas des Raja Yoga mit ein und es sind fünf weitere. Ich werd jetzt erst die deutschen Namen sagen, und ihr sagt mir, was auf Sanskrit steht.

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1. Kapitel, Vers 17

Deutsche Übersetzung:

Nun Yama und Niyama: Gewaltlosigkeit, Wahrhaftigkeit, Nicht-Stehlen, Handeln im Bewusstsein eines höheren Ideals, Vergeben, Toleranz | Empathie, Ehrlichkeit, Bescheidenheit und Hygiene sind wahrlich Yama.

Sanskrit Text:

  • atha yama-niyamāḥ
    ahiṁsā satyam asteyaṁ brahmacaryaṁ kṣamā dhṛtiḥ |
    dayārjavaṁ mitāhāraḥ śaucaṁ caiva yamā daśa ||17||
  • अथ यमनियमाः
    अहिंसा सत्यमस्तेयं ब्रह्मचर्यं क्षमा धृतिः ।
    दयार्जवं मिताहारः शौचं चैव यमा दश ॥१७॥
  • atha yama niyamah
    ahimsa satyam asteyam brahmacharyam kshama dhritih |
    dayarjavam mitaharah shaucham chaiva yama dasha ||17||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • atha : nun (folgen die, Atha)
  • yama : Yamas (Regeln, Observanzen, Selbstbeschränkungen)
  • niyamāḥ : (und) Niyamas (Regeln, Gelübde)
  • ahiṁsā* : Gewaltlosgkeit, Nichtschädigen (Ahimsa)
  • satyam* : Wahrhaftigkeit (Satya)
  • asteyaṁ* : Nichtstehlen (Asteya)
  • brahmacaryaṁ* : Enthaltsamkeit („Wandel im Brahman„, Brahmacharya)
  • kṣamā : Geduld, Langmut, Nachsicht (Kshama)
  • dhṛtiḥ : (innere) Festigkeit, Entschlossenheit (Dhriti)
  • dayā : Mitgefühl (Daya)
  • ārjavaṁ : Aufrichtigkeit, Redlichkeit (Arjava)
  • mita-āhāraḥ : Mäßigung beim Essen (Mitahara)
  • śaucaṁ* : Reinheit, Reinlichkeit (Shaucha)
  • ca : und (Cha)
  • eva : gewiss (Eva)
  • yamāḥ : Yama (genannten Regeln)
  • daśa : (dies sind) die zehn (Dasha)       ||17||

*Anmerkung: Textgeschichtlich handelt es sich bei den Versen 17 und 18, die eine Aufzählung der Yamas und Niyamas beinhalten, um spätere Einschübe. Dies ist daraus ersichtlich, dass sie der Kommentator Brahmananda nicht kommentiert, also offensichtlich in seinen Handschriften nicht vorliegen hatte. Auffällig ist die Ähnlichkeit mit den fünf im Yogasutra (2.30) aufgezählten Yamas (es fehlt lediglich Aparigraha). Bei Patanjali  wiederum zählt die „Reinlichkeit“ (Shaucha) zu den Niyamas (vgl. auch die Anmerkung zu Vers 40 dieses Kapitels).

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Brahmananda

Ein Zuwiderhandeln in Tat, Wort und Gedanken sollte vermieden werden.

Vishnu-devananda

17. Keinem Schaden zuzufügen, die Wahrheit zu sprechen, Nichts nehmen, was anderen gehört, Enthaltsamkeit zu pflegen, Geduld und Seelenstärke zu praktizieren, mit allen Erbarmen zu haben, geradewegs vorwärts zu schreiten, gemäßigt in der Diät zu sein und sich selbst reinigen – das macht Yama aus.

„Geradewegs“ bedeutet, dass ihr in Gedanken, Wort und Tat die Wahrheit praktiziert. Enthaltsamkeit zu pflegen (umfassendes Brahmacharya) ist besonders wichtig, wenn ihr intensives Sadhana praktiziert wie in diesem Buch beschrieben. Dann werdet ihr erfolgreich sein. Das wird ein wenig später mehr erklärt werden. „Erbarmen“ bezieht sich auf Ahimsa (Gewaltlosigkeit).

Sukadev

17. Keinem Schaden zufügen, die Wahrheit sprechen, nichts nehmen, was anderen gehört, Enthaltsamkeit zu pflegen, Geduld und Seelenstärke zu praktizieren,

Keinem Schaden zufügen – Ahimsa. Die Wahrheit zu sprechen – Satya. Nichts nehmen, was anderen gehört – Asteya. Enthaltsamkeit zu pflegen – Brahmacharya. Und die nächsten sind jetzt anders. Geduld und Seelenstärke zu haben. Mit Allen Erbarmen zu haben. Geradewegs vorwärts zu schreiten. Gemäßigt in der Diät zu sein und sich selbst zu reinigen. Das macht Yama aus. Also ihr habt vier der fünf Yamas des Raja Yoga und sechs andere. Also auch wichtig für die Wirksamkeit der Hatha Yoga Praktiken. Auch dass wir nicht zu Asuras werden, Dämonen mit übernatürlichen Kräften.

Es ist wichtig, von Anfang an, wo wir praktizieren, Ahimsa zu kultivieren. Das wird ja auch positiv ausgedrückt: Erbarmen zu haben. Das heißt Mitgefühl mit anderen und tätige Nächstenliebe. Anderen helfen und dienen. Auch wenn wir praktizieren, können wir sagen, dass wir nicht nur für uns selbst praktizieren, sondern für alle, mit denen wir zu tun haben. Oder allein ohne Familie ins Haus Yoga Vidya zu kommen. Da denkt man vielleicht, ist doch ein bisschen egoistisch. Auf der einen Ebene mag das so sein. Auf der anderen Ebene, wenn jemand praktiziert, dann strahlt er Energie aus. Und diese spirituelle Energie bekommen alle, mit denen man zu tun hat. Manche Menschen haben dann ja auch noch eine andere Frage: „Was kann ich denn machen? Immer wenn ich mit Menschen zu tun habe, dann verliere ich meine Energie. Wie kann ich das vermeiden?2 Meine verbreitetste Antwort ist: „Seid nicht so geizig.“ Ihr habt das große Glück, die Techniken zu kennen und auch die Willenskraft, zu praktizieren. Und dann ist es doch was Gutes. Ihr praktiziert nicht nur für euch, sondern auch für andere. Und das, was freiwillig gegeben wird, ist niemals verloren. So wie es auch heißt, niemand ist durch Spenden arm geworden. Irgendwie kommt alles wieder zurück. Und so können wir sicher sein, wenn wir praktizieren, machen wir das nicht nur für uns selbst, sondern auch für andere. Sofort für andere, weil andere das Prana bekommen, und keinem Menschen ist damit gedient, dass dort jemand Ausgelaugtes, Ausgesaugtes [Seitenwechsel: . . . ? ? ? sich abmüht.

Dann wird unser Geist schwach, und auch das Prana wird schwach. Das gilt auch, wenn wir eine Weile Ahimsa geübt haben und regelmäßig praktizieren, auch Asanas und Pranayama: Sowie wir etwas tun, um jemand anderen zu verletzen, das ist dann, wie so eine Klinge, die in unser Herz reingeht. Das ist so eine Warnung, wie auch letztlich ein Versprechen. Wenn wir eine Weile praktizieren, und von Anfang an uns bemühen, anderen zu helfen und zu dienen, wenn wir dann wirklich egoistisch was Schlechtes machen, das spüren wir. Das spüren wir fast körperlich. Manchmal, wenn man dann abends überlegt, warum geht’s mir eigentlich nicht so gut, ich hab doch alles gemacht, das Richtige, sogar Mantras am Tag wiederholt, dann stellt man fest: Aha, dort bin ich jemand über’n Mund gefahren, was gar nicht notwendig und hilfreich war. Gut, dann braucht man nicht ewig ein schlechtes Gewissen zu haben. Dann schickt man dem anderen positive Gedanken, eventuell entschuldigt man sich, eventuell bringt man’s Gott dar, und muss auch das wieder loslassen.

– mit allen Erbarmen zu haben,

ist auch wichtig, ist eigentlich eine Ausführung von Ahimsa. Wenn ihr selbst sehr diszipliniert seid, dann solltet ihr nicht von anderen erwarten, dass sie genau so sind. Wenn man selbst es geschafft hat, soll man nicht hemmungslos über die schimpfen, die das noch nicht geschafft haben. Man sollte dort auch Mitgefühl haben gegenüber anderen Menschen. Und noch weiter verbreitet, als zu strikt zu sein, weil man es selbst schon geschafft hat, ist, wenn mans noch nicht geschafft hat, und man bekämpft die eigenen Probleme im anderen. Auch sehr verbreitet. Aber sich in andere hineinzufühlen und mit ihnen Mitgefühl zu haben, das ist eine wichtige Sache. Das ist sowohl wichtig für jeden Menschen. Besonders für Menschen, die eine Verantwortung für jemand haben. Sei es als Yogalehrer, sei es als Eltern, sei es als Vorgesetzter irgendwo, sei es, wenn ihr irgendwo gemeinnützige Arbeit organisiert.

Ich war mal letztes Jahr im November, da wurde ich eingeladen, zu so einem Managementkongress oder -Tagung. Und da sollte ich einen Vortrag geben über Führung in einer spirituellen Gemeinschaft. Die hatten dann auch einen aus der Führung der Bundeswehr. Da war ein Generalleutnant. Und der hat etwas Interessantes gesagt: Wenn man Menschen führen will, muss man sie lieben. Fand ich lustig von jemand aus der Bundeswehr. Der hat überhaupt sehr gute Sachen gesagt. Konnte man viel von lernen. Und das gilt in Allem. Wenn ihr irgendeinem Menschen etwas beibringen wollt, dann müsst ihr ihn lieben. Wenn ihr ihn nicht liebt, wird er sich von euch nichts sagen lassen und nicht lernen. Und daher hier: Mit allen Erbarmen zu haben. Die meisten hier sind Yogalehrer oder angehende Yogalehrer. Es geht am leichtesten, die Yogaschüler zu lieben. Wenn die dort entspannt vor einem liegen, die Augen geschlossen und lächeln, dann geht einem das Herz auf. Und wenn man sie vorher sieht, wie sie vom Tag gekommen sind, und man sieht, sie haben Einiges getan, vielleicht ein bisschen frustriert vom Tag oder einige froh, man muss sie nur anschauen und dann kommt Liebe. Von daher ist das Unterrichten von Yoga eine wunderbare Weise, dort diese Liebe zu entwickeln. Es ist vielleicht schwieriger in anderen Kontexten, aber das ist ne grundlegende Wichtigkeit.

– geradewegs vorwärts zu schreiten,

find ich auch ne schöne Sache. Das gehört dazu. Viele machen immer alle möglichen Umwege und manchmal macht sich das Leben zu kompliziert. Ich muss zugeben, ich kenne jetzt den Sanskritausdruck nicht. Ich weiß also nicht, was da jetzt tatsächlich gemeint ist. Aber geradewegs vorwärts zu schreiten ist eine gute Sache. Ich hab bei den Arbeiten an dem Buch ‚Die Yogaweisheiten des Patanjali’ festgestellt, dass Vieles im Sanskrit nicht dem entsprochen hat, was die generellen Übersetzungen sind, dass da durchaus noch andere Übersetzungen sind. Wir leben in einer sehr komplexen Gesellschaft, wo die Menschen ihr Leben viel zu kompliziert machen. Manchmal denkt man, man braucht zu viel, und man denkt über zu viele Dinge nach. Und manchmal könnte man es viel einfacher haben, so geradewegs vorwärts zu schreiten.

Geduld ist wichtig. Wir sollten zwar mutig sein, aber auch geduldig. Es gehört vielleicht Mut hin, eine Eiche zu pflanzen, denn es wird dreißig Jahre dauern, bis sie ausreichend sichtbar ist. Wir brauchen Mut, etwas anzugehen wie die Selbstverwirklichung, es wird auch nicht in einem Monat typischerweise erreicht. Aber dann brauchen wir auch Geduld. Es nützt jetzt nichts, die Eichel jeden Tag auszubuddeln um festzustellen, sind jetzt schon Wurzeln da, und es nutzt auch nichts, wenn wir sie jetzt hemmungslos übergießen und überschwemmen, denn dann verfault sie nämlich. Es nutzt auch nichts, wenn wir dort Massen Dünger geben, dann versalzt sie. Und es nützt auch nichts, wenn der Keimling da ist und wir dran ziehen und zu hoffen, dass sie dann schneller wird. Und so ähnlich ist es mit dem spirituellen Fortschritt, er geht schrittweise. Wir müssen ihn natürlich angehen, wir müssen auch Enthusiasmus haben, wir brauchen dann auch Geduld. Seelenstärke.

– gemäßigt in der Diät zu sein und sich selbst zu reinigen – das macht Yama aus.

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1. Kapitel, Vers 18

Deutsche Übersetzung:

Selbstdisziplin, Zufriedenheit, Glaube, Mildtätigkeit, Respekt | Quellen-Studium, Mäßigung, Besonnenheit, Lernen von Texten und Opferbereitschaft, | sind die 10 Niyamas, anerkannt von den Yoga-Schrift-Gelehrten.

Sanskrit Text:

  • tapaḥ santoṣa āstikyaṁ dānam īśvara-pūjanam |
    siddhānta-vākya-śravaṇaṁ hrī-matī ca japo hutam |
    niyamā daśa samproktā yoga-śāstra-viśāradaiḥ ||18||
  • तपः सन्तोष आस्तिक्यं दानमीश्वरपूजनम् ।
    सिद्धान्तवाक्यश्रवणं ह्रीमती च जपो हुतम् ।
    नियमा दश सम्प्रोक्ता योगशास्त्रविशारदैः ॥१८॥
  • tapah santosha astikyam danam ishvara pujanam |
    siddhanta vakya shravanam hri mati cha japo hutam |
    niyama dasha samprokta yoga shastra visharadaih ||18||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • tapas : Askese, innere Glut, Inbrunst, Verinnerlichung (Tapas)
  • santoṣaḥ : Zufriedenheit (Santosha)
  • āstikyaṁ : Glaube an Gott, Gläubigkeit (Astikya)
  • dānam : Freigebigkeit (Dana)
  • īśvara : (des) Herrn, Gottes (Ishvara)
  • pūjana : (die) Verehrung (Pujana)
  • siddhānta : (der) Lehrbücher, (der) heiligen Texte (Siddhanta)
  • vākya : der Lehrsätze, Aussprüche, Aussagen (Vakya)
  • śravaṇaṁ : (das) Hören (Shravana)
  • hrī : Scham, Schamhaftigkeit (das Gegenteil von Unverschämtheit, Hri)
  • mati : Einsicht (Mati)
  • ca : und (Cha)
  • japaḥ : halblautes Wiederholen eines Gebetes oder Mantras (Japa)
  • hutam : Opfer (Huta)
  • niyamāḥ : (sind die als) Niyamas (bezeichneten Regeln)
  • daśa : zehn (Dasha)
  • samproktāḥ : die genannt werden (Samprokta)
  • yoga-śāstra : (mit den) Yoga-Schriften (YogaShastra)
  • viśāradaiḥ : von denjenigen, die vertraut sind (Visharada)     ||18||

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Brahmananda

Diese sind folgendermaßen klar in der Saindilya Upanishad erklärt: „Tapas ist das Abmagern des Körpers durch das Einhalten von Fasten etc. Frohsinn bedeutet Zufriedenheit mit dem, was einer ohne zu fragen erhält. Astikya bedeutet Glaube an die Veden und an das, was sie sagen. Wohltätigkeit bedeutet, was man ehrlich erworben hat, bedürftigen Personen mit Ehrerbietung zu geben.“ Über diesen Punkt sagt die Gita: „Satvika dana oder Wohltätigkeit besteht im Geben an eine Person, die nicht zurückgeben kann, zur rechten Zeit und am rechten Ort, Geben einfach als eine Angelegenheit der Pflichterfüllung.“

Vishnu-devananda

18. Tapas (Einschränkungen), Frohsinn, Glaube an Gott (Astikya), Wohltätigkeit, Verehrung der Gottheit, Anhören der Auslegung der vedantischen Lehrsätze, Scham, ausgewogener Geist, Japa (Wiederholen von Gottes Namen) und Vratas (Einhaltung von Gelübden) – das macht Niyama aus.

„Verehrung“ sollte mit einem sanften und klaren Geist durchgeführt werden. „Anhören“ bedeutet das theoretische Studium von Vedanta. „Scham“ bedeutet, Widerwillen gegen das, was von den Veden und Shastras verboten wird, zu empfinden. „Ausgewogener Geist“ schließt Hingabe an die in den Veden dargelegten Leitlinien ein. „Japa“ bezieht sich auf das Praktizieren jener Mantras, die nicht von den Veden verboten sind, so wie sie vom Guru gelehrt werden. Das ist auf zwei Arten möglich, hörbar und innerlich. Innerliches Japa ist das geistige Wiederholen der Mantras.

Die hier dargelegte Leitlinie der Entwicklung scheint die natürlichste und gleichzeitig wirkungsvollste zu sein. Die Erlangung von Yama und Niyama umfasst alle aktiven und passiven Tugenden. Die vier Sadhanas sind die notwendigen Eignungsbeweise eines Schülers:

  1. Unterscheidung zwischen dem Beständigen und dem Unbeständigem
  2. Vollkommene Gleichgültigkeit allen Gegenständen des Verlangens gegenüber, von den niedrigsten Formen irdischen Lebens bis zu denen der Halbgötter
  3. Erlangung der sechsfachen Qualitäten
  4. Intensives Verlangen und intensives Streben nach Befreiung

Sie alle sind in den ersten zwei Stufen des Yoga enthalten. Mit diesen Mitteln wird der Geist auf natürliche Weise jeglicher Verhaftung mit weltlichen Dingen entwöhnt, und ist, in der Konsequenz, auf einem günstigen Weg, in der Konzentration voranzukommen. Asanas und Pranayama helfen zur rechten Zeit und entfernen alle störenden Anteile und Tendenzen des Körpers. Der Weg zu den höheren Pfaden ist nun glatt und leicht.

Aber der Boden ist schwierig zu begehen, und sehr wenige haben den Mut durchzugehen, oder die Geduld, trotz wiederholter Fehler, auszuharren. Deshalb sind nahezu neunundneunzig von hundert Praktizierenden von der Aussicht verschreckt und beginnen beim leichtesten und praktischsten Punkt: Asanas und Pranayama. Sie lesen von großartigen und erstaunlichen Ergebnissen, dargestellt als gälte es, einer körperlichen Entwicklung in einer unbegreiflich kurzen Zeit zu folgen, und sie lassen sich mit Gier für ein paar Monate darauf ein. Aber sobald sie herausfinden, dass sie nicht einmal den Schatten der prophezeiten rühmlicher Mächte sehen, geben sie die ganze Anstrengung angewidert auf und werden die erbittertsten Feinde von Yoga, und verunglimpfen es als unredlich, wann immer sie Zuhörer bekommen können.

Diese kommen noch leicht davon, aber andere begehen ernsthafte Fehler und beenden ihr Leben als Wahnsinnige oder Selbstmörder. Sie nehmen die wichtige Tatsache nicht wahr, dass diese ungeheure Kräfte als Ergebnis einer Pranayama-Schulung nur dem versprochen werden, der sich vervollkommnet hat in moralischen und spirituellem Eigenschaften, welche unter Yama und Niyama aufgeführt sind.

Dieser Punkt wird wunderschön in der Yoga Vasishta herausgestellt: „Ein Sannyasi zog sich in den Dschungel zurück und praktizierte viele Jahre lang Pranayama, aber ohne irgendeine der vorhergesagten Kräfte zu verwirklichen. Dann ging er zu einem Weisen und bat ihn ehrerbietig, ihm Yoga zu lehren. Der Weise hieß ihn bei ihm zu bleiben, und während der ersten zwei Jahre begegnete er allen begierigen Bitten seines Schülers um Unterweisungen mit „Warte!“. Nach und nach wurde der Sannyasi an die Lage gewöhnt und vergaß, seinen Meister jemals wieder um Unterweisung zu belästigen. Am Ende von zwölf Jahren rief der Rishi eines Tages seinen Schüler und ersuchte ihn, das Wort „OM“ auszusprechen. Als der Sannyasi zur ersten Silbe kam, setzte von Natur aus Rechaka (Ausatmung) ein. Am Ende der dritten Silbe setzte Kumbhaka (Anhalten) ein. Wie ein Feuerfunke ein ganzes Feld von sonnengetrocknetem Gras ergreift und das Ganze in wenigen Minuten in Flammen steht, so ließ das Aussprechen des heiligen Wortes die spirituellen Gaben wirksam werden, die bis dahin in dem Schüler schlummerten. In einer kurzen Zeit hatte er die Anfangsstufen von Pratyahara, Dhyana und Dharana durchschritten und fand sich im reinen und erhabenen Zustand von Samadhi.“

Unser Interesse an der Geschichte liegt in der Tatsache, dass der Weise geduldig auf die natürliche Entfaltung der spirituellen Strebungen seines Schülers und die Reinwerdung seiner Natur durch seine Gesellschaft und seine Umgebung wartete. Er wählte die rechte Zeit, und da er in die Natur des Schülers wie in ein Glas sehen konnte, brachte er auf einfache Weise seelische und spirituelle Ergebnisse hervor, an deren Erlangung Personen, die mit den vernünftigen zusammenhängen von Yoga nicht vertraut und ohne die Anleitung eines Meisters sich, jahrelang arbeiten. Wenn dieses verstanden und die Bedeutung zur Gänze wahrgenommen werden würde, dann gäbe es weniger Opfer und Fehlschläge.

Sukadev

18. Tapas (Einschränkungen), Frohsinn, Glaube an Gott (Astikya), Wohltätigkeit, Verehrung der Gottheit, Anhören der Auslegung der vedantischen Lehrsätze, Scham, ausgewogener Geist, Japa (Wiederholen von Gottes Namen) und Vratas (Einhalten von Gelübden) – das macht Niyama aus.

Das sind also zehn Niyamas. Ihr findet auch einige der Raja Yoga Niyamas. Ihr findet dort Tapas, ihr findet letztlich Ishvara Pranidhana, was hier als Astikya bezeichnet wird. Ihr findet letztlich Saucha, was ein bisschen in Scham dort reinkommt. Und Swatyaya, Anhören der Auslegung der vedantischen Lehrsätze. Und Santosha ist hier ein anderer Ausdruck für ausgewogener Geist. Also ihr findet die fünf Niyamas im Raja Yoga und noch ein paar mehr. Das sind auch Dinge, die zu praktizieren sind. Man praktiziert froh zu sein.

Man praktiziert Tapas. Hier auch durchaus verstanden als kleine Einschränkungen und Askese. Das ist etwas, was vielleicht unserem modernen Verständnis etwas entgegen geht. Wenn man einen Wunsch hat, was macht man dann? Wenn man sich’s leiten kann, dann erfüllt man ihn. Denn man ist um so glücklicher, je mehr Wünsche man sich erfüllt. Stimmt das? Ihr wisst alle, dass das nicht stimmt. Sondern wenn wir einfach nur allen Wünschen hinterherlaufen, dann werden’s erstens immer mehr, und zwotens werden wir immer unglücklicher. Es spricht nichts dagegen, sich auch mal einen Wunsch zu erfüllen. Zu sagen, von heute an werde ich mir keinen Wunsch mehr erfüllen, das wäre ein nicht guter Vorsatz. Also einen guten Vorsatz kann man machen. Und ab und zu mal gehört es ja auch dazu, sattvige Erfüllung von Karma, seine kleinen Wünsche, die man dort hat. Die sind ja auch Teil des spirituellen Weges, aber eben nicht alles und nicht immer. Und manchmal einfach sagen: Den Wunsch erfülle ich mir deshalb nicht, weil ich ihn habe. Nicht aus irgendeinem anderen Grund. Sondern da ist ein Wunsch, und ich will frei sein von der Sklaverei der Wünsche, deshalb erfülle ich ihn nicht.

Dann hier ‚Scham’. Klingt ein bisschen komisch. Das muss man aber auch verstehen, dass die Hatha-Yoga-Praxis durch Jahrhunderte weitergegeben wurde durch so eine bestimmte Sekte, die nennen sich die Natha Yogis. Und die waren auch so ein bisschen verrufen. Die sind größtenteils nackt durch die Gegend gelaufen. Die haben dann auch noch Shivaasche über sich drüber gegeben. Und manche hatten dann noch solche Ohrringe und Nasenringe und andere Ringe. Heute würde man das Piercing nennen. Und die haben sich dann wenig aus der Gesellschaft gemacht. Und das waren insbesondere in der Zeit der Fremdherrschaft diejenigen, die sich zurückgezogen haben und das Hatha Yoga kultiviert haben. Die Natha Yogis haben das Hatha Yoga über Jahrhunderte weitergegeben, wo es aus dem Mainstream ganz rausgetrieben wurde. Und die haben dann letztlich aber auch dem Hatha Yoga einen schlechten Ruf gegeben. Darauf beruht dann, dass manche Yogis aus dem 19. Jahrhundert abfällig über Hatha Yoga gesprochen haben. Das haben diese komischen Leute praktiziert. Also nackt und mit Asche überfüllt und nicht in der Gesellschaft integriert und so weiter. Stell’ dir mal vor, du läufst jetzt nackt hier herum. Und in Indien ist Nacktheit noch weniger gern gesehen als hier. Wenn man als Frau im T-Shirt rumläuft, das gilt als nicht anständig. Das wäre so, wie wenn man hier barbusig rumläuft in ländlichen Gegenden, das gibt Anstoß. Allerdings ist in Indien auch wieder so, dass jetzt die Heiligen, die dann ganz nackt sind, die sind dann auch o.k. Das sind die Babas, Avadutas, die unbekleideten Babas, die gibt’s halt auch. Und das gilt als eine Form der Weisen. Vadut ist der Bekleidete, Avadut der Unbekleidete. Z.B. Dattatreya galt als der Avaduta, der Unbekleidete. Aber so in der Gesellschaft war das dann nicht so ganz o.k. In unserer Gesellschaft wäre das aber auch nicht möglich. Und wenn ihr gerne Harmonium bei offenem Fenster spielt, zwanzig Räucherstäbchen pro Quadratmeter anzündet, dann wäre das nicht richtig. Vor allem wenn’s die Nachbarn nicht so mögen. Also wir müssen uns auch an gewisse Gepflogenheiten halten. Ohne aber deshalb Dinge zu tun, die nicht unserem Lebensstil entsprechen. Also abwägen muss man hier. Einen ausgewogenen Geist erzeugen wir ja mit all diesen Dingen.

Und so sollte man sich dann äußerlich, so weit das möglich ist, und ohne seinen sattvigen Lebensstil zu negieren, so an bestimmte Gepflogenheiten der Gesellschaft halten. Durchaus hilfreich. Da braucht man auch heute nicht mehr so viel zu sagen. Als ich mit Yoga angefangen hab, so um 1980, da mussten wir noch den Leuten sagen, die zur Yogastunde kamen, sie mögen bitte ihre Füße waschen, bevor sie reinkommen, denn die sind barfuß durch die Straßen von München gegangen. Das waren so die Nachwehen der Hippie-Bewegung. Da gab’s dann im Bad so einen Turm von Handtüchern für alle, die reinkamen. Und da stand in einigen Restaurants, stand: Zugang nur mit Schuhen. Oder auch in Los Angeles: No shirt, no shoes, no service. Gut, also es gibt verschiedene Gepflogenheiten, die alle ihren Sinn haben. Aber in bestimmten Situationen ist es gut, sich an gesellschaftliche Gepflogenheiten zu halten. Heute hat sich das erweitert. Man muss sich nicht mehr anpassen in dem Maße.

– ausgewogener Geist.

Den können wir kultivieren.

– Japa.

Wiederholen von Gottes Namen. Und im Hatha Yoga ist tatsächlich auch, gerade, wenn wir intensiver üben, wie es ja auch der Swatmarama vorschlägt, die Verehrung Gottes wichtig. Es geht nicht nur darum, selbst die Energien zu erwecken, sondern man braucht auch Hingabe, Losgelassenheit und Vertrauen. Deshalb bringt er das drei Mal: Glauben an Gott, Verehrung Gottes und Wiederholen des Namens Gottes. Dann bringt er hier auch Anhörung der Auslegung der vedantischen Lehrsätze. Er bringt hier das JnanaYoga direkt rein. Dass wir auch nicht in einer dualistischen Sache hängen bleiben, wir wollen zur Einheit. Dass wir das Mittel nicht mit dem Ziel verwechseln, die Asanas sind nur ein Mittel. Selbst den Körper gesund und schön zu machen, wäre nur ein Mittel. Das Ziel ist etwas anderes. Sogar Verehrung Gottes ist kein Selbstzweck. Es ist ein Mittel, um die Einheit mit Gott zu erreichen. Und wenn wir uns über die Vedanta klar sind, über Jnana-Yoga, bleiben wir nirgendwo hängen.

– Vrata,

sich richtige Vorsätze fassen. Es ist schon gut, sich richtige Vorsätze zu fassen (vergleiche Vers 15). Und der Swami Sivananada hat auch öfters geraten, man soll auf ein Blatt Papier aufschreiben, was will ich im nächsten viertel Jahr an mir arbeiten? Vorsätze fassen. Der höchste Wunsch ist die Selbstverwirklichung, und das sind sativge Wünsche. Wir brauchen sativige Wünsche, um tamasige und rajasige Wünsche zu überwinden. Also es ist schon gut, einen Vorsatz dort zu fassen.

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1. Kapitel, Vers 19

Deutsche Übersetzung:

Nun Asana: Asana wird zuerst erklärt, da es die erste Stufe des Hatha-Yoga ist. | Diese Asana-Praxis soll geübt werden, da sie Kraft, Gesundheit und Leichtigkeit im Körper verleiht.

Sanskrit Text:

  • athāsanam
    haṭhasya prathamāṅgatvād āsanaṁ pūrvam ucyate |
    kuryāt tad āsanaṁ sthairyam ārogyaṁ cāṅga-lāghavam ||19||
  • अथासनम्
    हठस्य प्रथमाङ्गत्वादासनं पूर्वमुच्यते ।
    कुर्यात्तदासनं स्थैर्यमारोग्यं चाङ्गलाघवम् ॥१९॥
  • athasanam
    hathasya prathamangatvad asanam purvam uchyate |
    kuryat tad asanam sthairyam arogyam changa laghavam ||19||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • atha : nun (folgen, Atha)
  • āsanam : (die) Körperstellung(en, Asana)
  • haṭhasya : des Hatha(-Yoga)
  • prathama-aṅgatvād : denn das ist das erste (Prathama) Glied (Anga)
  • āsanaṁ : Asana (Körperstellungen)
  • pūrvam : zuerst, als erstes (Purva)
  • ucyate : wird genannt, gelehrt (vac)
  • kuryāt : bewirkt (kṛ)
  • tad : dieses (Tad)
  • āsanaṁ : Asana (die Gesamtheit der zu lehrenden Körperstellungen)
  • sthairyam : (körperliche und geistige) Festigkeit, Ausdauer (Sthairya)
  • ārogyaṁ : Gesundheit (Arogya)
  • ca : und (Cha)
  • aṅga : (der) Glieder, (des) Körpers (Anga)
  • lāghavam : Leichtigkeit (Laghava)     ||19||

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Brahmananda

Von den Asanas wird gesagt, dass sie einen stark machen, weil sie die Rajoguna abtötet, die die Unbeständigkeit des Geistes verursacht. Indem sie Beschwerden vertreibt, erleichtert sie die Konzentration, denn wie Patanjali sagt: „Beschwerden, Benommenheit, Zweifel, Sorglosigkeit, Faulheit, Weltorientiertheit, falsche Vorstellung, Verfehlen des Kerns und Unbeständigkeit sind die Ursachen von Verwirrung des Geistes, und sie sind die Hindernisse.“ Die Schwere des Körpers kommt von einem Übergewicht an Tamas, und die Asanas beseitigen das. – Vasishta und Matsyendra waren sowohl Jnanis, als auch Yogis, aber der erstere war mehr in Jnana gelehrt, der letztere in Yoga.

Vishnu-devananda

19. Asanas werden an erster Stelle abgehandelt, weil sie die erste Stufe von Hatha Yoga bilden.

Jetzt versteht ihr, dass Asanas nicht alles sind im Hatha Yoga; sie sind nur die erste Stufe.

19. (fortgesetzt) So sollte man Asanas ausführen, dass sie einen stark, frei von Beschwerden und leichtgliedrig machen.

Obwohl es unmöglich ist, die bedeutenden Wahrheiten klar zu erklären und wahrzunehmen, die den verschiedenen Asanas zugrunde liegen (absurd und quacksalberisch wie sie manchen vorkommen mögen), bevor nicht das menschliche System in all seinen Kompliziertheiten und Einzelheiten verstanden wird, bin ich doch überzeugt, dass die verschiedenen Stellungen viele bedeutsame Ergebnisse bringen, körperliche und andere.

Zum Beispiel werden bei einigen von ihnen verschiedene Nervenzentren gedrückt und in Tätigkeit gesetzt. Diese wirken sich stark auf die Kontrolle von Unregelmäßigkeiten im Körper aus, und, was sogar noch wunderbarer, aber nicht weniger wahr ist, auf die Reinwerdung unserer geistigen Natur (die Unterdrückung einiger unserer tierischen Leidenschaften). Eine Reihe von Beschwerden, die durch Überschuss oder Unregelmäßigkeiten in den Körpersäften hervorgerufen werden: Wind, Galle und Schleim, werden durch die Asanas beseitigt. Physiologen werden hier ein weites Feld für ihre Untersuchungen finden, und die Ernte ist das Mähen wert.

19. (fortgesetzt) Ich fahre fort, einige von den Asanas darzustellen, die von solchen Weisen wie Vasishta und solchen Yogis wie Matsyendra aufgenommen worden sind.

Sukadev

19. Asanas werden an erster Stelle abgehandelt, weil sie die erste Stufe des Hatha Yoga bilden.

Es gab zwar schon Yamas und Niyamas, das sind so die Vorstufen. Yamas und Niyamas findet man im Grunde genommen in jedem spirituellen System. Es gibt kein spirituelles System ohne die Yamas und Niyamas auf die eine oder andere Weise. Aber was das charakteristische von Hatha Yoga ist, die erste Stufe, sind Asanas.

– So sollte man Asanas ausführen, dass sie einen stark, frei von Beschwerden und leichtgliedrig machen.

Das sind drei Aspekte der Asanas. Frei von Beschwerden, stark und leichtgliedrig. Man kann auch sagen, das sind drei Phasen der Asanapraxis. Es gibt drei verschiedene Arten, wie wir Asanas üben. Wir können sie erstmal sehr sanft üben. Voller Körperbewusstsein, hineinatmen, nicht so weit gehen, um erstmal eine gewisse Heilwirkung im Körper zu erzeugen. Das ist das, was einen von verschiedenen Beschwerden erstmal befreien kann. Was ihr auch hoffentlich in Anfängerkursen unterrichtet und in Rückenyoga, und wie ihr vielleicht auch selbst am Anfang begonnen habt.

In den Anfängerkursen unterrichtet man zuerst sehr, sehr sanft. Die Menschen müssen Körperbewusstsein entwickeln, in den Körper hineinfühlen. Sie müssen die alten Denkschemata von Konkurrenz und Vergleichen, von Nichtgutgenugsein, von Perfektionsdrang und Zwang loswerden. Diese Dinge darf man nicht in die Asanapraxis hineinbringen. Und so ist das der erste Schritt im Hatha Yoga, dass wir frei werden von diesem Denken, seinen Körper nicht annehmen können. Gerade gestern hab ich gelesen, dass 75% der Frauen mit ihrem Aussehen nicht zufrieden sind, 52% der Männer. Noch vor dreißig Jahren war das anders. Da waren nur 25% der Frauen und 8% der Männer nicht zufrieden. In dem Maße, wie die Kosmektikindustrie und die Plastische Chirurgie, die Diätkunde und sonst was Einfluss bekommen, wird der Mensch unzufriedener mit seinem Äußeren. Und es ist wichtig, dass man lernt, sich selbst anzunehmen, seinen Körper zu spüren, zu fühlen. Natürlich nicht, sich zu identifizieren, das wollen wir ja nicht im Yoga, sondern wie ein Gewand, das wir tragen. Auf das wir bis zu einem gewissen Grad Einfluss haben, aber auch nicht vollständig. Ich könnte mir zwar jetzt die Haare färben, dann hätte ich blonde Haare, oder schwarze oder grüne oder gelbe Haare, aber ich könnte jetzt nicht die Anzahl meiner Haare verdoppeln. Gut, ich kann mir noch ein Toupet aufsetzen, aber das ist für die Meisten irgendwie unbefriedigend. Dagegen kann ich sehr wohl meinen Körper annehmen und ich kann sagen: „Das ist der Tempel, der mir zur Verfügung gestellt wurde.“ Das ist der erste Schritt im Hatha Yoga. Und wenn wir das machen, dann verschwinden alle möglichen Beschwerden von selbst. Man sollte aber nicht zwanzig Jahre lang immer diese sanften Asanas, sich ja nicht anstrengen, also nicht zu lange Zeit bei dem sehr sanften Anfängerstil stecken bleiben.

Dann der zweite Schritt ist, dass man stark wird. Körperlich stark, energetisch stark und geistig stark. Gut, durchaus auch körperlich stark. Man kann sagen, das ist die zweite Weise, wie man Asanas ausführt. Hier geht man in viele Variationen hinein und lernt, seine Ängste zu überwinden. „Ich kann dieses nicht, ich kann jenes nicht, das ist unmöglich,“ und so weiter. Auch anstrengende Asanas ausführen, sich auch dort bemühen, aber nicht mit Wettbewerbsdruck, auch nicht mit Perfektionszwang, aber man hat hoffentlich in der ersten Stufe abgelegt, dass man meint, besser sein zu müssen, als andere, oder unbedingt das Bild auf der Seite 176 im Großen Illustrierten Yogabuch nachahmen zu müssen. Vermutlich ist da gar kein Bild. Also körperlich stark sein. Auch ein Yogi sollte Rückenmuskulatur, Bauchmuskulatur, Armmuskulatur durchaus stärken. Asanas sollten irgendwann auch anstrengend sein. Davor sollten wir keine Angst haben, sondern im Gegenteil uns freuen, wenn’s mal anstrengend wird. Wir haben gelernt, wie man das richtig macht. Man lernt, irgendwann kann man den Kopfstand, irgendwann man kann den Handstand, man lernt Virabhrasana, man kann die Krähe, man lernt alles mögliche. Und so arbeitet man an vielen Variationen, um diese Stärke zu bekommen. Eine innere Stärke wie auch eine energetische Stärke.

Gut, und dann aber auch geistig stark. Viele Menschen blockieren ein großen Teil geistig. Denken, „Das kann ich nie, das klappt nie. Ich bin zu alt, zu gebrechlich, zu steif. Zu dick, zu dünn“, was weiß ich noch. „Zuviel Rückenbeschwerden, zuviel Arthritis“, alles Mögliche. Und wir machen uns schwach dadurch. Und indem wir durchaus mal fortgeschrittenere Asanas angehen, aber mit Intelligenz und Bewusstheit, lernen wir: Sehr viel mehr ist möglich. Und ich habe gute Erfahrungen gemacht gerade mit Menschen, die sehr große Beschwerden hatten, als sie mit Yoga angefangen haben. Fast die besten Erfolge habe ich bei Menschen, die mit über 70 angefangen haben. Was die dann noch für geistige Stärke wieder mobilisieren konnten, als sie gesehen haben, was sie alle für Asanas noch können. Im Leben geht’s wieder bergauf. Nicht in jedem Jahr fällt eine Fähigkeit weg und ein Wehwehchen kommt, sondern im Gegenteil, neue Fähigkeiten kommen. Das gibt eine riesige geistige Stärke. Wir wollen auch nicht vergessen, es gibt auch noch den nächsten Aspekt, den der energetischen Stärke. Die Asanas sind absolut notwendig, wenn man fortgeschrittenes Pranayama machen will, denn der Körper muss auf der energetischen Ebene stark sein, so dass mehr Prana, mehr Lebensenergie durch den Körper hindurch fließen kann. Wir wollen ja unser Energieniveau erheblich erhöhen. Von 3 Volt und 0,2 Milliampère wollen wir auf 1 Million Volt mit 100000 Ampère, oder Kiloampère oder Megaampère gehen. Und dazu muss auch der Körper stark werden und dafür sind die Asanas notwendig.

Und dann schließlich leichtgliedrig. Das ist der wichtigste Aspekt. Und um leichtgliedrig zu werden hält man die Stellungen lange. Und das ist die königliche Ausführung der Asanas. Leichtgliedrig bezieht sich zum einen natürlich auf das körperliche Gefühl. Nach einer Yogastunde fühlt man sich irgendwie leicht. Manchmal als ob man irgendwie auf Wolken geht. Die meisten haben so was schon mal gespürt, einige nicht, aber es ist wichtig zu wissen, viele fühlen das, diese Leichtgliedrigkeit. Leichtgliedrigkeit bezieht sich auch auf die Energien, die man spürt. Dass Prana frei wird, Energie fließt überall hin. Und dieser Aspekt der Leichtigkeit und auch der Verfeinerung von Prana, dem Erzeugen von Sattva, darüber hat Sri Kartikeyan bei seinem Pfingstseminar viel gesprochen. Er selbst ist jetzt keiner, der viele Asanas macht. Er macht andere Sachen. Aber er weiß, die Asanas transformieren das Prana in sattviges Prana. Menschen haben tamasiges, grobstoffliches Prana. Manchmal sieht man bei Menschen, wie hart und fest und erdig das Prana ist. Wenn man dort mit diesen Menschen spricht über subtile Zusammenhänge, dann ist das, wie wenn man zu nem Stein spricht, die können damit nichts anfangen. Alle Energie ist sehr tamasig. Ich hab immer die Erfahrung gemacht, jemand, der eine Weile Asanas macht, wenn der einen Meditationskurs macht, der hat überhaupt keine Probleme. Der kann anschließend über subtile Sachen hören, obgleich der vorher nie gehört hat – das Prana ist sattvig geworden. Das ist eine der schönen Sachen. Bei jedem Menschen, der Samskaras hat, spirituelle Samskaras, die werden wiederbelebt, nachdem sie ja durch eine Erziehung ausgetrieben oder verspannt oder im Herzen verschlossen wurden. Diese Samskaras werden freigelegt und aktiviert, wenn das Prana sattvig geworden ist. Daher helfen Asanas, einen leichtgliedrig zu machen.

Ich meine daher, dass Asanas in unserer modernen Gesellschaft ganz besonders wichtig sind. Die Asanas haben die große Fähigkeit, auch Menschen, die zunächst an nichts Spirituelles denken, zur Spiritualität, zu ihrer eigenen Herzensspiritualität zu bringen. Nicht zu etwas Äußerem, sondern von innen heraus. Und natürlich auch nur dann, wenn’s potenziell angelegt ist. Das ist nicht von außen aufoktoyiert, sondern etwas, was innen angelegt ist, wieder freigesetzt werden kann. Und da glaube ich, das können Asanas besser als alles andere, was es gibt in dieser Gesellschaft. Es müssen natürlich auch die Asanas richtig gelehrt werden. Und leider muss man sagen, es gibt eine ganze Reihe moderner Entwicklungen bei den Asanas, die nicht in diese Richtung gehen, die mehr in Richtung Aerobic gehen. Das nennt sich dann halt Yoga, man springt von hier nach dort. Das macht die Menschen auch energetisch, aber es ist eine rajasige Energie. Das habe ich zumindest miterlebt bei all den Stunden, wo ich selbst mit dabei war. Das war kein sattviges Prana, wo man hinterher das Gefühl hat, jetzt will ich mich hinsetzen zur Meditation. Es war ein Prana, ich hab auch mal Aerobicstunden miterlebt, um zu sehen, wie das ist, durchaus vergleichbar mit einem Prana nach einer Aerobicstunde. Die Leute sind auch irgendwie aufgedreht, fühlen sich wohlig erschöpft und auch kommunikativ. Es ist ja nichts schlechtes, aber es ist nichts Sattviges.

Um Sattva zu erzeugen, müssen wir die Asanas halten. Je länger wir die Asana halten, um so wirkungsvoller sind sie auf sattvigem Gebiet. Und dazu ist eine besondere Verantwortung bei Yogalehrern, denn unsere Gesellschaft geht in eine andere Richtung. Unsere Gesellschaft geht ins Rajas. Und auch bei den Yogarichtungen gibt’s immer diese Tendenz ins rajasige. Fünf Minuten in der Vorwärtsbeuge zu sein, dabei ganz konzentriert zu sein, den Geist nicht abzulenken, den Atem konzentrieren, ist etwas, was den Grundströmungen der Gesellschaft entgegengesetzt ist. Die Gesellschaft will mehr, tut was, ist aktiv, und man ist besser als die anderen und so weiter, oder man entspannt, schwitzt, nachher legt sich auf den Rücken. Nichts gegen Sauna, ich geh ab und zu auch mal hin. Aber eigentlich, ich glaub, die Hauptwirkung bei Sauna, es ist eine Legitimierung, faul herumzuliegen. Wenn ihr mal probiert, statt einen halben Tag in die Sauna zu gehen, einen halben Tag ganz geruhsam sich hinzulegen, zwischendurch mal ein bisschen spazieren gehen, wieder hinlegen, werdet ihr feststellen, es hat einen ähnlichen Erholungswert. Mal Sebastian Kneipp fragen. Gut, ich bin ja durchaus auch für Sachen wie Abhärtung und so weiter, auch für warm/kalt, wird ja einiges da sein, aber auch Sauna erzeugt kein sattviges Prana, behaupte ich hier. Es mag gut sein, aber sattviges Prana erzeugen die Asanas, die Chi Gong Übungen. Vielleicht gibt’s auch noch andere Übungen, aber die Asanas in ganz besonderem Maß. Dafür sind sie ausgerichtet.

Eine Stellung lange halten. Wie lange ist lange? Ihr seid alle sehr großzügig in der Zeit. Also schon drei, fünf Minuten. Da fangen die Asanas an, interessant zu werden. Es stimmt, die Asana Jaya, die Herrschaft über die Stellungen, ist erreicht, wenn man sie zwei Stunden lang gehalten hat. Und der Swami Vishnu hat uns öfter gesagt: Jeder ernsthafte Yoga Schüler sollte die Grundasanas mal mindestens zwanzig Minuten gehalten haben. Sofern nichts körperliches dagegen spricht. Grundasanas wären Kopfstand, Schulterstand, Pflug, Fisch, Vorwärtsbeuge, Kobra, Drehsitz. Das sind alles Asanas, die man mal mindestens zwanzig Minuten halten kann. Das hängt natürlich auch von deiner Zeit ab. Aber typischerweise wird man mal einen Tag die eine Asana länger halten, oder eine Woche lang daran üben, eine Asana länger zu halten, die nächsten Wochen eine andere, sonst bist du drei bis vier Stunden beschäftigt. Wenn man Zeit hat, würde auch nichts dagegen sprechen, aber ich vermute, die habt ihr nicht. Aber mindestens einmal im Leben sollte man die Asanas länger halten. Also, meine Ermutigung ist, macht’s ruhig, wenn euer Körper das erlaubt. Wenn es der Körper nicht erlaubt – es gibt noch genügend andere, schöne Dinge, die man im Yoga machen kann. Der Trick beim Yoga ist immer, sich nicht über das zu ärgern, was man nicht kann, sondern sich über das zu freuen, was man machen kann.

Und auch etwas Wichtiges, was man nicht vergessen darf: Unser Geist ist immer ein bisschen rajasig. Und was will der rajasige Geist? Abwechslung. Er will immer was Neues. Gut, und bis zum gewissen Grad versuchen wir, Vikshepa, der Unruhe des Geistes, Rechung zu tragen, und immer wieder Variationen zu machen, diese kleine Veränderung und jene kleine Veränderung. Aber nichts desto trotz, die machtvollste Art und Weise, die Asanas auszuführen, sind diese banalen Grundstellungen. Das sind die machtvollsten Stellungen überhaupt, wenn man sie lange hält mit Konzentration. Die anderen haben auch ihren Zweck, und es ist gut, sie auch zu üben. Sie geben eine körperliche, energetische und geistige Stärke. Und wir sollten nicht vergessen, es ist eigentlich nur eine Vorbereitung für das lange Halten der Asanas. Das ist die tiefste und machtvollste Weise. Und man fängt an, sanft zu üben. Das hilft schon, dass man einige Beschwerden loswerden kann, Spannungen, insbesondere den Leistungstrieb loswerden kann, den Vergleichstrieb loswerden kann. Das ist nämlich wichtig. Wenn wir in die zwote Phase der Asanapraxis gehen mit vielen Variationen, mit anstrengenden Variationen, dann müssen wir darauf achten, dass wir das nicht mit Wettbewerbsgeist machen. Und dann zum Schluss lange halten, und dann fühlt man sich sehr leicht. Wer eine halbe Stunde in der Vorwärtsbeuge war und dabei konzentriert gewesen ist, dann sind alle Probleme verschwunden. Das Prana ist sattvig geworden, die Schwingung ist subtil geworden, und man fühlt sich sehr, sehr gut.

Es gibt auch vorübergehende Sachen, z.B. dass Reinigungserfahrungen auftreten. Gut, man muss auch sehen, der Körper altert, es treten Beschwerden auf, und manchmal können auch Asanas diese Beschwerden nicht verhindern. Beispielsweise bei manchen Menschen ist der Körper so angelegt, dass er mit fünfundvierzig Jahren Rheuma kriegt. Jetzt beginnt man mit dreiundvierzig mit Yoga, dann kriegt mit man fünfundvierzig trotzdem Rheuma. Vielleicht weniger, als wenn man kein Yoga gemacht hätte, aber denkt dann, ich hab durch’s Yoga Rheuma gekriegt. Aber wenn man dann seine Familie anschaut, die Eltern oder die Geschwister, die haben auch irgendwas gekriegt, ohne Yoga zu praktizieren. Manchmal muss man sagen, Yoga heilt nicht alle Krankheiten und verhindert nicht alle Krankheiten. Dass Yoga selbst Krankheiten hervorruft, ist äußerst selten. Dann macht man irgendwas falsch. Dass Yoga hilft, Krankheiten zu heilen, ist relativ häufig. Aber leider ist es nicht so, dass Yoga alle Krankheiten heilt. Aber im Zweifelsfall, wenn man selbst nicht weiß, wie man die Praxis anpassen kann, dann sollte man jemanden fragen, der mehr weiß. Schaden richten die Asanas nicht an.

Wenn ihr die Asanas länger als zehn Minuten halten wollt, dann müsst ihr Vegetarier sein. Ansonsten bis zehn Minuten die Asanas halten, da ist es jetzt nicht notwendig, dass man die richtige Ernährung hat. Natürlich ist es hilfreich, die richtige Ernährung zu haben, und sehr viele Menschen, habe ich erlebt, dass wenn sie die Asanas so machen, dass sie die Asanas länger halten und bewusst halten, die werden von selbst Vegetarier. Die hören, von selbst auf zu rauchen, die hören von selbst auf, Alkohol zu trinken. Wir dürfen jetzt nicht unseren Schülern sagen: „Du darfst keine Asanas machen, wenn du nicht vegetarische Vollwertkost hast, das stimmt nicht. Es gibt genügend Menschen, die anfangen mit Asanas, die Alkoholiker sind, rauschgiftsüchtig sind, deren Ernährung aus Schokolade und Abführmitteln besteht. Und indem sie anfangen, regelmäßig Yoga zu machen, damit aufhören. Also das wird nicht zur Bedingung, obgleich man als Yogalehrer irgendwann mal auch auf die Ernährung hinweist.

Schreckt jetzt nicht eure Schüler ab. Ich erinnere mich an jemand, der hat gesagt, vor zehn Jahren hätte er schon mal Yoga gemacht. Und dann hätte die Lehrerin gesagt, sie dürften kein Yogamachen und Fleisch essen. Das hat er dann eingesehen und kein Yoga mehr gemacht. Und zehn Jahre später kam er zu mir und hat gesagt, eigentlich hätte das Yoga ja doch gut getan. Ob ich meine, ob er vielleicht auch Yoga machen könne, auch wenn er Fleisch isst. Und er hat dann Yoga gemacht, und nach nem Jahr ist er Vegetarier geworden. Aber er wollte ganz ausdrücklich kein Vegetarier werden. FortgeschrittenesPranayama, also Samanu-Konzentration, Jalandhara Bandha, Suryabedha, Ujjayi, Bhastrika, Mudras, dafür sollte man Vegetarier sein. Und auch Nichtraucher, keine Drogen zu sich nehmen, insbesondere keine bewusstseinsverändernden Drogen und keine alkoholischen Getränke. Aber normales Kaphalabhati, Wechselatmung, könnt ihr auch einen nichttrockenen Alkoholiker mit großem Nutzen unterrichten.

– Ich fahre fort, einige von den Asanas darzustellen, die von solchen Weisen wie Vasishta und solchen Yogis wie Matsyendra aufgenommen worden sind.

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1. Kapitel, Vers 20

Deutsche Übersetzung:

Ich werde eine Auswahl von Asanas beschreiben, die für gut befunden wurden | von Vashishtha und weiteren Heiligen sowie Matsyendra und weiteren Yogis.

Sanskrit Text:

  • vasiṣṭhādyaiś ca munibhir matsyendrādyaiś ca yogibhiḥ |
    aṅgīkṛtāny āsanāni kathyante kāni-cin mayā ||20||
  • वसिष्ठाद्यैश्च मुनिभिर्मत्स्येन्द्राद्यैश्च योगिभिः ।
    अङ्गीकृतान्यासनानि कथ्यन्ते कानिचिन्मया ॥२०॥
  • vasishthadyaish cha munibhir matsyendradyaish cha yogibhih |
    angikritany asanani kathyante kani chin maya ||20||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • vasiṣṭha : Vasishtha
  • ādyaiḥ : usw., und anderen (Adya)
  • ca: und, sowohl (Cha)
  • munibhiḥ : von den Weisen (Muni)
  • matsyendra : Matsyendra
  • ādyaiḥ : usw., und anderen
  • ca : und, als auch
  • yogibhiḥ : von Yogis (wie)
  • aṅgīkṛtāni : die akzeptiert, berücksichtigt worden sind (Angikrita)
  • āsanāni : Asanas (Körperstellungen)
  • kathyante : werden genannt, gelehrt (kath)
  • kāni-cid : einige (Ka Chid)
  • mayā : von mir (Mad)     ||20||

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Brahmananda

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Vishnu-devananda

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Sukadev

20.  Ich fahre fort, einige von den Asanas darzustellen, die von solchen Weisen wie Vasishta und solchen Yogis wie Matsyendra aufgenommen worden sind.

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