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06-05 Kommentar Sukadev

Krishna verwendet hier den Ausdruck „Atma“. Atma heißt „Selbst“. Im Philosophiesystem des Vedanta ist Atma „die universelle Seele“, Satchidananda, reines Bewusstsein, unberührt von Körper, Emotionen und Denken. Die meisten Leser sind mit dieser Bedeutung vertraut.

Atma ist aber ähnlich wie der deutsche Ausdruck „Selbst“ vielschichtig. Er kann sich auch auf das individuelle Selbst beziehen. Manchmal wird dann auch „Jivatman“ für „individuelle Seele“ und „Paramatman“ für „Kosmische Seele“ gesagt.

 

Ein kleiner Exkurs zu den deutschen Ausdrücken „Geist“ und „Seele“:

Was heißt Geist?

(1) Im Spiritismus ist es der Ausdruck für ein erdgebundenes Wesen: Ich habe heute Nacht einen Geist gesehen – Geist im Sinne von Gespenst.

(2) In der westlichen Esoterik ist der Geist das, was man im Sanskrit als Brahman bezeichnen würde, als das Untersterbliche, was hinter allem ist, der Weltgeist.

(3) In der westlichen Psychologie ist Geist der Intellekt, das logische Denken. Manchmal wird auch das Wortdenken als Geist bezeichnet – im Unterschied zur so genannten Psyche und zur so genannten Seele.

(4) In der Yogaliteratur ist Geist oft das, was wir im Sanskrit als „Antarkarana“, das innere Instrument, bezeichnen. Im Raja Yoga ist Geist in diesem Sinne Chitta, also eigentlich Denken und Fühlen,alles was Worte, Bilder, Gefühle betrifft, einschließlich unterbewusster und bewusster und sogar überbewusster Eindrücke.

So hat allein das Wort „Geist“ also in unterschiedlichen Kontexten unterschiedliche Bedeutungen.

 

Ein anderes Beispiel ist das Wort „Seele“.

(1) In der katholischen Theologie ist Seele meist der unsterbliche Wesenskern. Das, was wir im Sanskrit als Atman bezeichnen würden. In diesem Sinne wird der Ausdruck „Seele“ auch in der Yogaliteratur meist verwendet.

(2) In der westlichen Esoterik ist Seele das, was wir im Sanskrit als Antarkarana bezeichnen würden, was in der Yoga-Literatur als Geist übersetzt wird. Es ist alles Denken, Fühlen – das, was sich nach dem Tod wieder weiter inkarniert, denn Seele inkarniert sich.

(3) In der Psychologie – in der westlichen Psychologie, zumindest in den meisten Ausprägungen, wird als Seele „Gefühl, Psyche, Befinden“ verstanden.

 

So kann ein Wort in unterschiedlichen Kontexten unterschiedliches bedeuten. Jetzt also zurück zu den Ausdrücken „Atma“, „Selbst“: Atman heißt, wie oben gesagt, im Sanskrit schlicht und ergreifend „Selbst“ und ist genau so vielschichtig wie der deutsche Ausdruck „Selbst“.

Wenn wir zum Beispiel sagen „ich selbst“, meinen wir oft Körper und Geist (und zwar Geist im Sinne von Psyche und Denken, Fühlen, Persönlichkeit – es kann sich auf all das auch beziehen).

Wenn Krishna in der Bhagavad Gita von „Atman“ spricht, bezieht er sich manchmal auf das „individuelle Selbst“, welches auch als Jivatman bezeichnet wird. Manchmal bezieht er sich auch auf das „Kosmische Selbst“, welches auch als Paramatman bezeichnet wird.

In der Vedanta, insbesondere bei Shankaracharya, wird die individuelle Seele als Jiva bezeichnet. Die kosmische Seele wird Atma, Atman genannt. Als Leser muss man auf den Kontext achten, wenn man die Sanskrittexte studiert. Daran kann man erkennen, um welchen Atman es sich handelt.

In diesem Vers rät Krishna uns, uns selbst zu erheben und nicht selbst zu erniedrigen. Wir sollten uns bewusst sein: Wenn es uns gut oder schlecht geht, liegt dies nicht einfach nur an den Umständen, sondern an uns selbst. Zwar bringt jeder Mensch seine eigene Biografie und Erfahrungen mit, die ihn zu dem gemacht haben, was er heute ist, aber Krishna sagt hier ganz klar: Wir sollten nicht die Opfermentalität haben. Es ist zwar hilfreich zu erkennen: Meine momentane Persönlichkeit, mein momentanes Verhalten ist nicht so, weil ich abgrundtief schlecht bin, sondern es ist aus meiner Biographie heraus erklärbar. Diese Erklärung darf aber nicht dazu führen, dass man sich sagt: Das und das kann ich nicht machen, das müssen andere machen, ich hatte schon ein so schlechtes Leben. Das hilft nicht weiter. Menschen, die ständig jammern, bekommen wenig Unterstützung. Wir müssen unser Leben selbst in die Hand nehmen. Wir können uns selbst wieder und wieder sagen: „Der Mensch möge durch das Selbst nur erhoben werden. Ich selbst bin mein eigener Freund.“

Es gibt deutsche Sprichwörter, die das auch ausdrücken: „Jeder ist sich selbst der Nächste“. „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“. Diese werden zwar oft missbraucht, sind aber ursprünglich durchaus positiv gemeint. Heute wird es oft egoistisch verwendet, so dass man diese Sprichwörter eigentlich nicht in spirituellem Kontext zitieren dürfte… aber ich schreibe es trotzdem. „Jeder ist sich selbst der Nächste“ kommt ja aus dem Bibelsprichwort „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Wir sollten uns auch selbst lieben. Wir sollten nicht hoffen oder gar verlangen, dass andere uns helfen, sondern zuerst einmal uns selbst lieben und anderen helfen wollen. Den Nächsten gilt es zu lieben und wir gehören da auch dazu. Mein Gegenüber ist natürlich auch „mein Nächster“. Nächstenliebe heißt, sich selbst zu lieben und allein meiner Umgebung.