Atma Bodha – Vers 61

Erkenne Brahman als unendliches Licht

Atma Bodha – Vers 61

Deutsche Übersetzung:

Das, durch dessen Licht leuchtende Himmelskörper wie Sonne und Mond erleuchtet werden, das aber durch deren Licht nicht erleuchtet wird, das erkenne als Brahman.

Sanskrit Text:

yadbhāsā bhāsyate’rkādi bhāsyair yat tu na bhāsyate ।
yena sarvam idaṃ bhāti tad brahmetya vadhārayet ॥ 61 ॥

यद्भासा भास्यतेऽर्कादि भास्यैर्यत्तु न भास्यते ।
येन सर्वमिदं भाति तद्ब्रह्मेत्यवधारयेत् ॥ ६१ ॥

yadbhasa bhasyate’rkadi bhasyair yat tu na bhasyate |
yena sarvam idam bhati tad brahmety avadharayet || 61 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • yad-bhāsā : durch dessen (Yad) Licht (Bhas)
  • bhāsyate : beleuchtet wird (bhās)
  • arkādi : die Sonne (Arka) usw. (Adi)
  • bhāsyaiḥ : durch deren Licht („durch die zu Beleuchtenden“, Bhasya)
  • yat : was (Yad)
  • tu : aber (Tu)
  • na : nicht (Na)
  • bhāsyate : beleuchtet wird
  • yena : wodurch (Yad)
  • sarvam : alles (Sarva)
  • idam : das hier (Idam)
  • bhāti : leuchtet (bhā)
  • tat : das (Tad)
  • brahma : (ist) das Absolute (Brahman)
  • iti : so, in dieser Weise (Iti)
  • avadhārayet : soll man begreifen, bei sich denken (ava + dhṛ)     ॥ 61 ॥

Kommentar von Sukadev Bretz

Lesen

Das, durch dessen Licht leuchtende Himmelskörper wie Sonne und Mond erleuchtet werden, das aber durch deren Licht nicht erleuchtet wird, das erkenne als Brahman.
Eine weitere Analogie, die Shankara gebraucht für Brahman. Brahman zu verstehen ist kaum möglich. So gebraucht er so viele Analogien. Brahman ist ja jenseits des Intellekts. Jenseits der Emotionen. Jenseits allem Vorstellungsvermögen. Und so gebraucht manchmal Shankara Verneinungen und manchmal Analogien, um eine Ahnung davon zu bekommen. Und es ist hilfreich, eine Ahnung von Brahman zu bekommen. Es ist hilfreich, eine kleine Vorstellung zu haben von Brahman, wenn man dann danach streben wird, Brahman zu erfahren.
Es ist ähnlich, angenommen, jemand war noch nie am Meer gewesen – in der Zeit der heutigen Verkehrsmittel war vermutlich jeder schon mal am Meer, der diesen Beitrag liest, dieses Video sieht. In früheren Zeiten sind Menschen gewesen, die nie am Meer waren. Du kannst dann hören: „Wie ist das Meer?“ Jemand erzählt dir, wie das Meer ist. Und wenn du über das Meer hörst, dann bekommst du vielleicht den Wunsch, dorthin zu gehen und bemühst dich, dorthin zu kommen. Antoine de Saint-Exupéry hat mal gesagt: Wenn du jemanden zu einem großartigen Seefahrer machen willst, dann erzähle ihm nicht über die verschiedenen Bootstypen und die verschiedenen Taue und die verschiedenen Meere, sondern schwärme ihm vom Meer vor. Wenn du jemandem vom Meer vorschwärmst, wird er alles tun, um zur See gehen zu können und sich selbst bemühen, ein großartiger Seefahrer zu werden. In diesem Sinne macht es Shankara genau hier: Er schwärmt uns von Brahman vor. Er sagt: Was ist Brahman? Und so wollen wir zu Brahman hingehen. Wenn jemand noch nie auf dem Meer gewesen ist, dann magst du ihm über das Meer vorschwärmen. Er hat keine Vorstellung, wie das Meer ist. Er wird sich etwas vorstellen, aber was auch immer er sich vorstellt – es ist nicht so, wie es ist. Aber indem jemand über das Meer vorschwärmt, wird jemand versuchen, hinzugehen.
Genauso: Wenn Shankara jetzt erzählt „Was ist Brahman? Wie ist Brahman?“, dann weißt du immer noch nicht, was Brahman ist. Aber du bekommst eine Ahnung und vielleicht die Sehnsucht, es zu erfahren. Und so sagt er hier: Brahman ist das, durch dessen Licht leuchtende Himmelskörper wie Sonne und Mond erleuchtet werden. Sonne und Mond leuchten. Aber gut – woher weißt du überhaupt, dass Sonne und Mond leuchten? Angenommen, es gäbe niemanden mit Bewusstsein, es wüsste auch niemand, dass Sonne und Mond leuchten. Sonne und Mond werden deshalb erleuchtet, durch das Licht des Bewusstseins. Das Leuchten von Sonne und Mond wird nur deshalb als Leuchten wahrgenommen, weil dort ein Bewusstsein ist. Daher: Leuchtende Himmelskörper wie Sonne und Mond werden durch Brahman erleuchtet. Aber: Sonne und Mond leuchten nicht Brahman. Also nicht durch das Licht von Sonne und Mond wird Brahman erleuchtet. Egal wieviel Licht Sonne und Mond ausstrahlen, deshalb wird immer noch nicht Brahman erkannt. Brahman wird nicht dadurch erkannt, dass Sonne und Mond leuchten. Das Licht von Sonne und Mond wird nur erkannt durch Brahman, durch Bewusstsein. Aber durch Sonne und Mond wird Brahman nicht erleuchtet. Daher: Großartiger als Sonne und Mond ist Brahman. Und Brahman kann auch erfahren werden als Licht. Nicht umsonst wird vom Überbewusstsein auch von Erleuchtung gesprochen, gerade im buddhistischen Kontext spricht man gerne von „die Erleuchtung, die man erlangen wird“. Und die man erlangen kann. Und die man bekommen kann. Genauso auch: Wir können diese Erleuchtungserfahrung machen. Erleuchtung heißt: Brahman selbst wird verwirklicht.

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