Atma Bodha – Vers 23

Gehe jenseits von Bindung, Wünschen, Vergnügen und Leid

Atma Bodha – Vers 23

Deutsche Übersetzung:

Bindung, Wünsche, Vergnügen, Leid usw. werden so lange als existent wahrgenommen, wie der Intellekt (Buddhi) oder der Geist funktionieren. Sie werden nicht im Tiefschlaf wahrgenommen, wenn der Geist aufhört zu existieren. Deswegen gehören sie nur zum Geist und nicht zum Atman.

Sanskrit Text:

rāgecchāsukhaduḥkhādi buddhau satyāṃ pravartate ।
suṣuptau nāsti tannāśe tasmād buddhes tu nātmanaḥ ॥ 23 ॥

रागेच्छासुखदुःखादि बुद्धौ सत्यां प्रवर्तते ।
सुषुप्तौ नास्ति तन्नाशे तस्माद् बुद्धेस्तु नात्मनः ॥ २३ ॥

ragechchhasukhaduhkhadi buddhau satyam pravartate |
sushuptau nasti tannashe tasmad buddhes tu natmanah || 23 ||

Wort-für-Wort-Übersetzung:

  • rāgecchā-sukha-duḥkhādi : Leidenschaft (Raga), Wünsche (Ichchha), Freude (Sukha), Schmerz (Duhkha) usw. (Adi)
  • buddhau : der Geist, das Denken (Buddhi, hier im Sinne von Manas)
  • satyām : solange existiert („da ist“, Sat)
  • pravartate : bestehen („besteht“, pra + vṛt)
  • suṣuptau : im Tiefschlaf (Sushupti)
  • na : nicht (Na)
  • asti : sie existieren („existiert“, as)
  • tan-nāśe : wenn dieser (Geist, Tad) verschwunden ist („bei dessen Verschwinden“, Nasha)
  • tasmāt : daher (Tasmat)
  • buddheḥ : sie gehören zum Geist („sind des Geistes“, Buddhi)
  • tu : aber (Tu)
  • na : nicht
  • ātmanaḥ : zum Selbst (Atman)     ॥ 23 ॥

Kommentar von Sukadev Bretz

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Bindung, Wünsche, Vergnügen, Leid usw. werden so lange als existent wahrgenommen, wie der Intellekt (Buddhi) oder der Geist funktionieren. Sie werden nicht im Tiefschlaf wahrgenommen, wenn der Geist aufhört zu existieren. Deswegen gehören sie nur zum Geist und nicht zum Atman.

Wir sind beim 23. Vers und hier beschreibt Shankaracharya die Tatsache, dass Wünsche, Bindungen, Vergnügen und Leid nicht wirklich zu uns gehören. Er gibt als Analogie, wenn wir im Tiefschlaf sind, dann haben wir auch kein Vergnügen, keinen Schmerz, keine Wünsche, keine Bindungen. Dennoch existieren wir auch im Tiefschlaf, denn wir wachen am nächsten Morgen wieder auf und sagen: „Ich habe gut geschlafen.“ Wünsche sind keine da im Tiefschlaf. Wünsche, Vergnügen, Schmerz, all das ist nicht da. Wenn man am Abend einschläft und man hatte gerade einen wunderschönen Tag gehabt, es war so schön gewesen. Menschen waren nett gewesen. Man hatte Erfolg gehabt. Es war ein schöner Abend, ein schöner Tag. Wenn man einschläft ist das alles vergessen.
Angenommen es war ein schwieriger Tag – es gab Kritik vom Chef und Kritik von den Kollegen, das Auto hatte einen Totalschaden und einen Hexenschuss hatte man auch noch gekriegt usw. Wenn all das da war, sowie man einschläft, ist auch das alles vorbei. Im Moment des Tiefschlafs ist alles weg. Und sogar wenn man nicht im vollen Tiefschlaf ist, sogar im Traum, plötzlich sind die Dinge weg. Oder angenommen du hattest alle möglichen Wünsche gehabt und gedacht das brauche ich alles unbedingt und dann kommt jemand und erzählt dir ganz aufgeregt: „Weißt du, was ich alles gehört habe?“ In dem Moment, wo man sich darauf einlässt, sind die Wünsche weg. Genauso auch, wenn irgendwo etwas sehr weh tut – dann wirst du abgelenkt, etwas kommt, was du ganz toll findest, Schmerz ist weg.
Vergnügen, Schmerz, Wünsche, Bindungen, Verhaftungen, all das gehört nicht zum Selbst. In dem Moment, in dem sich der Geist von etwas Bestimmtem abwendet, ist es nicht mehr da. In dem Moment, wo sich das Bewusstsein vom Geist wegwendet, sind die Gedanken nicht mehr da.
Bewusstsein ist da. Du bist Bewusstsein. Bewusstsein drückt sich aus durch Buddhi und durch Manas. Buddhi ist bewusstes Denken, bewusste Analyse und freier Wille. Und Manas sind mehr oder weniger automatisiert entstehende Worte, Bilder, Gedanken, Emotionen und so weiter. Über Manas nimmst du alles andere wahr. Auch Vergnügen, Schmerz, Wünsche, Bindungen, Verhaftungen sind nur dann von Existenz, wenn sie sich im Manas manifestieren. Schmerz, der nicht im Geist ist, ist kein Schmerz. Wünsche, die nicht im Geist sind, existieren auch nicht. In dem Moment wo Geist, im Sinne von Denken Manas und Buddhi abgewandt sind von allem Vergänglichen, in dem Moment existiert es nicht für dich und sogar in dem Moment wo du dein Bewusstsein wegwendest von allem Denken und Fühlen, in dem Moment existiert auch Denken und Fühlen nicht. Deshalb wisse: Du bist Bewusstsein.
Bewusstsein drückt sich aus über Buddhi. Bewusstsein nutzt Manas als Verbindungsglied. Über Manas kann Bewusstsein, Bewusstwerden dieser Welt, über Manas kann die Welt so kommen, dass Bewusstsein in Atman kommt und auch Atman braucht Manas, um sich letztlich in dieser Welt auszudrücken. Aber so wie ein Schauspieler eine Rolle annimmt oder ein Kostüm anzieht aber deswegen nicht zur Rolle wird, nicht zum Kostüm, genauso ist es auch mit dem Selbst. Um in dieser Welt zu wirken schafft Bewusstsein eine Rolle im Sinne von Manas und Buddhi und ein Kostüm im Sinne von diesem Körper. Über diese Rolle und dieses Kostüm kann Atman seine Aufgabe in dieser Welt erfüllen. Umgekehrt: Atman kann Wissen bekommen über diese Welt. Aber Atman ist nicht die Rolle und Atman ist nicht das Kostüm. In diesem Sinne lerne, du bist nicht die Wünsche und brauchst sie deshalb auch nicht zu erfüllen. Du bist auch nicht Vergnügen und Schmerz und wenn du mal Schmerz erfährst, ist es nicht ganz so tragisch. Du bist auch nicht Vergnügen, deshalb brauchst du auch nicht zu sehr am Vergnügen zu hängen.
Es ist schön, wenn Dinge schön sind. Und es ist auch gut, dass der Körper auch mal Schmerz erzeugt, so dass du weißt, was dem Körper vielleicht nicht so gut tut. Es ist gut, dass die Psyche alle möglichen Reaktionen hat, das sind die Informationen mit Energie. Es ist gut, dass die Psyche Wünsche hat, das sind die Handlungsempfehlungen, die ja oftmals gut sind. Aber du bist nicht der Wunsch, du bist nicht Vergnügen und nicht Schmerz. Du bist auch nicht Verhaftungen und Identifikation. Du bist nicht die Persönlichkeit.
Denke darüber nach, meditiere darüber und erfahre dich als Atman, als unsterbliches Selbst, als Bewusstsein. In sich selbst ewig frei, Ananda, Freude, verbunden mit dem Bewusstsein von allen anderen, eins mit der Weltenseele.
Mache dir das bewusst und dann nutze Psyche und Körper, mache Erfahrungen, erledige deine Aufgaben und kehre immer wieder zurück zu dem, was du wirklich bist. Sat-Chid-Ananda, Atman, reines Bewusstsein.

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